Der Auerochse (Bos primigenius) ist seit dem Mittelalter ausgestorben. Er lebte frei in den Wäldern Europas, Asiens und eine ähnliche Rasse in Indien. Dass diese Rasse ausgestorben ist, hat die Zoodirektoren und Brüder Heinz und Lutz Heck, der eine im Tierpark Hellabrunn bei München, der andere in Berlin zu Hause, mächtig gewurmt, sodass sie in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts angefangen haben, durch so genannte Abbildzüchtungen aus verschiedenen Rassen, hauptsächlich aus Mittelmeerländern (auch das Chianina-Rind findet sich im Genmix), den Auerochsen wieder auferstehen zu lassen. Was ihnen ziemlich gut gelungen ist. Diese Rinder, die in verschiedenen Naturparks frei lebend zu Hause sind, nennt man nun nach den Brüdern Heck Heckrinder, denn streng genommen sind es Rinder, die nur aussehen, wie Auerochsen, sich genetisch aber etwas unterscheiden.
Einer dieser Naturparks findet sich im Solling in Südniedersachsen. Dort leben auf 170 Hektar eine Herde Heckrinder und Exmoor-Ponies. Im „Hutewald“, so heißt dieser Naturpark („Hute“ kommt von „hüten“ und stammt noch aus der Zeit, als die Bauern der umliegenden Dörfer alles, was auf dem Hof kreuchte und fleuchte zur Sommermast in den Wald trieben. Auch hier im beschaulichen Fürstenhagen zeugt die „Schweineweide“ von dieser Praxis), findet zur Zeit ein längerfristiges Forschungsprojekt statt, welches die Folgen der Beweidung durch Heckrinder, Wildschweinen, Rehen und Pferden, insbesondere die Veränderungen der Flora dokumentieren soll.
Das ist natürlich hochwichtig und super interessant. Was mich aber besonders interessiert: Wie schmeckt das Fleisch eines Heckrinds? Dies muss getestet werden. Im Herbst jedes Jahres werden nämlich einige Bullen der Herde geschossen, geschlachtet und den hiesigen Gastronomen zur Weiterverarbeitung zur Verfügung gestellt (gegen fürstliches Entgelt, versteht sich). Das Fleisch des Heckrinds ist, neben wertvoll, auch sehr gesund und schmackhaft. Durch das langsame Wachstum (die Bullen sind schon mindestens vier Jahre alt, bevor sie geschossen werden) ist das Fleisch kurzfaserig und zart, hat weniger Cholesterin als Rindfleisch, weniger Fett, viele Vitamine und Mineralstoffe, und enthält sogar die gesunden Omega3-Fettsäuren.
Nun hat der hiesige Gastronom so ein halbes Rind eingekauft, und ich ihm ein Stück Roastbeef abgeschwatzt, welches ich nun genüsslich zuzubereiten und zu verzehren gedenke.
Wie man sieht, habe ich das „falsche Ende“ des Roastbeefs erwischt. Hier läuft noch eine Silberhaut zwischen dem Fleisch entlang, was der Qualität keinen Abbruch tut.
Dazu lege ich das Fleisch in Olivenöl mit etwas Thymian ein. Zwei Stunden vor der geplanten Zubereitung nehme ich es aus dem Kühlschrank, damit es Zimmertemperatur bekommt. Ungewürzt kommt es in eine Stahlpfanne mit sehr heißem Butterschmalz, und wird auf beiden Seiten je eine Minute gebraten, dann wandert es auf einem vorgewärmten Teller für 15 Minuten in den 60°C warmen Backofen. Kurz bevor die 15 Minuten um sind, erhitze ich frisches Butterschmalz in der Pfanne (das alte wurde entsorgt, die Pfanne gereinigt), um beim sehr kurzen, aber heißen zweiten Anbraten etwas mehr Kruste zu generieren. Dann ab auf den vorgewärmten Teller. Nun würze ich mit Fleur de Sel und schwarzem Pfeffer aus der Mühle, und gebe einen kleinen Schuss sehr fruchtiges Olivenöl (Opera Mastra, Ursini) darüber. Zwischenzeitlich schlucke ich mehrmals, um das im Mund zusammenlaufende Wasser nicht sabbernder Weise zu verlieren.
Jetzt ist es soweit, ich schneide an: stecke in den Mund, kaue, schmecke, schlucke. Die Erwartungshaltung war groß. Und wurde nicht enttäuscht. Der Geschmack ist aromatisch, mineralisch, erinnert deutlich an gutes Rindfleisch, hat aber auch andere Noten, die ich mit „ursprünglich“ bezeichnen möchte. Wildgeschmack wäre zu viel gesagt, es tendiert aber in die Richtung. Die Konsistenz ist zart, zarter als bei manchem Rinderfilet aus des Supermarkts Fleischtheke. Beim Anschneiden lief kaum Fleischsaft auf den Teller, es blieb im Fleisch, welches sehr saftig war. Trotzdem ergiebt sich der gleiche Eindruck, wie beim Salzwiesenkalb: die gut gekauten Fleischfasern sind dann, wegen des fehlenden Fettanteils im Fleisch, trocken. Das stört aber hier wie da nicht, und kommt den Menschen entgegen, die sich fettarm ernähren möchten (warum auch immer).
Hier sieht man sehr schön die Silberhaut, die die beiden Fleischregionen trennt. Zudem, wie perfekt es gebraten ist. Wegen Eigenlobs gestrichen.
Es waren zwei Steaks á ca 280 gr. Das zweite briet ich etwas anders als das erste, hier war mir die Kruste nicht wichtig, es sollte das Fleisch langsam in Butter und Olivenöl gebraten werden, ohne dass sich eine übermäßige braune Kruste bildet. Auch ruht das Fleisch nach dem Braten nur ca. fünf Minuten im warmen Backofen, damit sich die Säfte im Fleisch verteilen können, und sich nicht gleich beim ersten Anschneiden über den Teller ergießen. In dem Butter-Olivenölgemisch ließ ich noch einen kleinen Zweig Rosmarin mitbraten. Das Ergebnis war hervorragend, wie das erste, und trotzdem anders. Welches jetzt meine favorisierte Methode ist, könnte ich nicht sagen, denn beide sind auf ihre Art gut. Hier muss ich zukünftig meine Stimmung entscheiden lassen. Dass das nicht der letzte designierte Auerochse auf meinem Teller gewesen ist, ist jedenfalls ziemlich sicher.
Nur noch für kurze Zeit läuft übrigens die Heckrinder-Aktion bei den hiesigen Gastronomen. Wer also in den Genuss dieses Fleisches kommen möchte, sollte sich schnell auf den Weg machen (einige Feinschmecker nahmen schon hunderte Kilometer auf sich, nur um das Fleisch zu probieren!). Im Landgasthaus „Zur Linde“ in Fürstenhagen kann man auch übernachten, und die Gegend lädt zum Wandern, Joggen, Walken mit ausgeschilderten Routen ein. So können erst die Portionen, und anschließend der Verdauungsspaziergang etwas größer ausfallen. Auch der Hutewald ist nur wenige Kilometer entfernt, und mit ein wenig Glück bekommt man ein Heckrind in freier Natur zu sehen und zu hören.
Pingback: Hochrippe vom Heckrind | Olivenoelblog()