Römisch-friesische Allianz: Saltimbocca vom Salzwiesenkalb

Vorwegschickend mal eine Aussage, die (leider, ich bin neidisch) nicht von mir stammt, aber ziemlich gut beschreibt, warum ich schreibe, was ich schreibe: „… Im Großen und Ganzen findet sich in diesem Blog sogar ziemlich viel Belehrung. Ich bedaure das sehr, aber es hat sich wirklich nicht vermeiden lassen: Das Belehrende scheint mir von Natur aus so aus den Poren zu schwitzen wie den Kamelen der Kamelienduft. Manchmal möchte ich Welten dafür hergeben, meine Fakten bei mir zu behalten, aber das geht nicht. Je mehr ich die Quellen dichte und je zugeknöpfter ich werde, um so mehr leckt bei mir die Weisheit aus. So kann ich vom Leser nur Nachsicht und keine Rechtfertigung verlangen.“
(frei nach Mark Twain)

1991 am Trevi-Brunnen

Den schlechten Klamottengeschmack habe ich wohl heute noch. Obiges Hemd führte meine Frau im letzten Jahr – unter meinem Protest – dem Altkleidersack zu. Ansonsten sind wir alle nur älter geworden. Der kleine Knirps, der mit wunden Füßen von der Wanderung durch Rom und seine imposante Geschichte auf Mutters Schoß sitzt, kann selbiger mittlerweile auf den Kopf spucken und ist 21 Lenze jung.

So anno 1991 war ich mit meiner Familie, damals bestehend aus Frau, Sohn und mir, in Rom. Warf natürlich auch eine Mark in den Trevi-Brunnen. Man wollte ja unbedingt wiederkommen. Hat bis jetzt nicht geklappt – vielleicht nächstes Jahr. Aber römisch kochen, das war öfter. Neulich die „Ajo e ojo“, heute das Saltimbocca.

Alles, was das Saltimbocca braucht

Fast alles, was es zum Saltimbocca braucht: Salzwiesenkalb, Parmaschinken, Salbei und Meersalz von Alisseos.

Bevor uns nun das Saltimbocca „in den Mund springt“, so die grobe Übersetzung, verliere ich etwas. Und zwar ein paar Worte über das verwendete Kalbfleisch. Ludger Freese sei Dank, habe ich das Fleisch eines der köstlichsten Kälber ergattert: Fleisch vom Salzwiesenkalb, genauer, die große Nuss (Teilstück aus der Keule; wer mehr wissen will, der frage den Ludger, der ist ganz lieb und vor allem auskunftsfreudig)! Absolut mager und köstlich im Geschmack. Gerade weil es so mager ist, sollte man bei der Zubereitung darauf achten, es nicht zu durch zu braten, was bei so dünnen Kalbsschnitzelchen gar nicht so einfach ist. Zudem muss alles warm sein: Servierplatte, Teller, Küche, von mir aus auch der Kellner, sollten Sie einen beschäftigen. Es schadet zumindest nicht. Ich weiß das, ich kannte mal einen. Also einen warmen Kellner. Dem empfahl ich in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts eine Reise nach Thailand … aber ich schweife ab; nur so viel: Das feiste Grinsen war nach seinem Urlaub noch wochenlang wie ins Gesicht gemeißelt, igitt.
Zurück nach Rom, zumindest aber in die Küche. Viel braucht es nicht, um ein Saltimbocca zuzubereiten. Allein die Qualität der Grundprodukte entscheidet über Sieg und Niederlage, über „fantastisch“ oder „geht so“. Gut, ein wenig Fertigkeit in der Küche sollte vorhanden sein, was ich bei den Lesern einfach mal voraus setze.

Zutaten pro Person:

  • 3 Kalbsschnitzel á ca. 60 g, leicht plattiert, nicht geklopft
  • 3 kleine Scheiben Parmaschinken oder San Daniele
  • 3 frische Salbeiblätter
  • 3 Zahnstocher
  • 2 EL Olivenöl und 1 EL Butter zum Braten
  • 50 ml Weißwein, am liebsten Frascati
  • etwas Mehl
  • kalte Butter zum Binden der Sauce
  • schwarzer Pfeffer aus der Mühle
  • Meersalz (sehr wenig!)

Sie möchten etwas dazu essen? Vergessen Sie es! Entweder vorweg, oder hinterher. Ein Saltimbocca verträgt höchstens etwas Weißbrot oder Brötchen (bitte, bitte, liebe Vollkornfraktion: Weißmehlprodukte! Ausschließlich! Keine Kompromisse! Nur dieses eine Mal …) zum Auftunken der wenigen Sauce. Nichts soll von dem köstlichen Kalbfleisch ablenken, kein Gemüse den Genuss mit aufdringlichem Geschmack von Glukokininen, Bioflavonen oder anderen Flavonoiden stören. Man stelle sich vor, es könnte jemandem einfallen, Kartoffeln dazu zu essen. Eine Katastrophe!

Die sehr einfache Zubereitung verlangt nun ausschließlich etwas Schnelligkeit und ein 100%iges Mise en place.

Alles griffbereit

Wichtig ist, dass Sie beim Kochen nicht plötzlich feststellen, eine der Zutaten ist noch nicht griffbereit. Also: immer schön ans „Mise en place“ denken!

Heizen Sie den Ofen auf 60/65°C vor, geben Sie eine Servierplatte und die Teller hinein. Die Kalbsschnitzelchen, ich will sie mal Scaloppine nennen, werden nur gepfeffert, nicht gesalzen. Die Pfanne, möglichst eine aus Edelstahl, keine beschichtete, steht schon auf dem Herd, Öl und Butter werden heiß. Die gepfefferten Scaloppine werden nun ganz leicht mehliert, abgeklopft und kommen sofort in die Pfanne.

Satimbocca in der Pfanne

Idyllisches Beisammensein in der Pfanne. Jetzt aber raus damit …

Ist das letzte Stück in der Pfanne, kann das erste schon gewendet werden. Sind alle auf der zweiten Seite, den Parmaschinken auflegen und ein Blatt Salbei mittels Zahnstocher auf den Scaloppine befestigen. Haaaalloooo, das muss schneller gehen! Jetzt aber raus aus der Pfanne und auf die vorgeheizte Platte im Ofen. Falls mehr Besuch da ist, die nächste Fuhre auf die gleiche Weise zubereiten. Die Saltimbocca fühlen sich derweil im Ofen pudelwohl.

Haben alle Scaloppine den Weg durch die Pfanne gefunden, wird es jetzt Zeit die Sauce zuzubereiten. Erste Amtshandlung: Bratfett (Butter und Öl) wegwerfen! Dann platziere ich noch ein bis zwei Blätter Salbei in der Pfanne, und lösche mit dem Frascati ab. Der Bratensatz wird abgeschabt und hat sich gefälligst mit dem Wein in eine göttliche Sauce zu verwandeln. Diese schmecke ich mit Meersalz, genauer „Fleur de Sel“ aus Griechenland von Alisseos ab. Dieses Meersalz, welches ich der Familie Genth verdanke, ist außerordentlich köstlich und wird von mir zwar sparsam, aber doch penetrant verwendet. Einige weiße Krümel in dem wunderschönen, ehemals gut gefüllten Keramiktöpfchen lassen vermuten, dass ich an Salzsucht leide. Zu dem Salz, gibt es später mehr …

Die Sauce, welche sich immer noch in der Pfanne befindet (jetzt habe ich mich doch tatsächlich etwas verplaudert), wird mit einem Stück kalter Butter aufmontiert und anschließend über die Saltimbocca gegeben. Diese werden sofort serviert! Die warmen Teller stehen schon auf dem Tisch; die Brandblasen können Sie später versorgen. Da ich ein Fan von „Prezzemolo“ bin, kommt diese grob geschnittene, glatte Petersilie als Garnitur obenauf. So, jetzt nur noch genießen und an das kleine Salzwiesenkalb denken, welches nun nicht mehr gedankenverloren den Deich entlang wandert, sondern dessen Wanderschaft in unseren Mägen ein jähes Ende fand. Und das ist auch gut so!

Saltimbocca

Saltimbocca auf der Servierplatte. Nun keine Zeit mit dem Säubern der Platte verlieren, die Gäste warten schon!

Wie Sie vielleicht bemerkt haben, wird das Fleisch nicht gesalzen. Das hat den einfachen Grund, dass der Parmaschinken genug Salz abgibt. Auch das mehlieren hat durchaus einen Sinn: es verhindert das Austreten von Fleischsaft und unterstützt die Bindung der Sauce. Wenn Sie nur eine Portion zubereiten, können sie die Saltimbocca kurz vor Schluss kurz in die Sauce legen, das Aroma wird noch intensiver. Das Wichtigste ist aber die Schnelligkeit. Nichts ist schlimmer, als zu lange gegarte Kalbsschnittchen. Dann hätten Sie auch einen Schweinerücken nehmen können. Und glauben Sie mir: kein Vergleich! Auch wenn Ihnen Mario aus Ihrer Stammpizzeria was anderes erzählen will.

Alles vernichtet ...

Kein Fitzelchen ist mehr über, um die restliche Sauce streiten sich heranfliegende Hände mit Weißbrotstückchen. Ich habe leider verloren …