Dass es ein Buch vom Kochsüchtigen für Kochsüchtige ist, merkt der aufmerksame Leser schon beim ersten Rezept. Die Selbstverständlichkeit, das angebratene Fleisch für das Ragú wieder in die reduzierte Flüssigkeit zu geben, um es anschließend stundenlang zu schmoren, wird gar nicht erwähnt – ist doch klar, oder? Davon abgesehen, der einzige kleine Fauxpas, der die nachkochende Hausfrau, den Hausmann oder gar Hobbykoch/köchin irritieren könnte.
Alle Rezepte sind leicht nachzuvollziehen und ebenso leicht nachzukochen. Doch handelt es sich bei dem Buch nicht wirklich um ein Kochbuch. Es ist eher eine Lebenphilosophie, in kleine Kochgeschichten amüsant verpackt. Zudem eine Philosophie, der ich unbedingt zustimmen möchte: weg vom Komplizierten, hin zur Einfachheit. Zum natürlichen Geschmack der Grundzutaten. Liest man sich beispielsweise durch die teilweise recht umfangreichen Arbeitsschritte in den Rezepten von „Witzigmanns junges Gemüse“, so ist es einfach erfrischend, wie Claudio del Principe den Stängelkohl (eine Art Broccoli, nur kleiner) mit Pasta verarbeitet. Das kann jeder, das will jeder, das schmeckt jedem.
Blog wie Buch, Buch wie Blog
Erwartungshaltung kann manchmal eine rechte Qual sein. Hält man dann endlich in Händen, worauf man sich so sehr gefreut, und fällt es dann nicht so aus, wie erwartet, ist die Enttäuschung groß. Die Gefahr besteht bei den Anonymen Köchen durchaus, denn das Buch ist wie der Blog. Es gibt wenig Neues und keine Boni in Form von unveröffentlichten Geschichten oder Rezepten. Ich finde das gut, habe eigentlich auch nichts anderes erwartet. Nun aber kann ich ein Buch in die Hand nehmen, wenn ich eine Geschichte nachlesen möchte, ein Rezept oder eine Geschichte meiner Frau oder Freunden vorlesen, oder mir die Zeit auch ohne Computer mit einem Buch auf der Couch vertreiben will. Denn ein Buch ist ein Buch, ein durchaus auch sinnliches Erlebnis.
Es ist ein Buch, in dem ich auch zukünftig öfter lesen werde. Einfach, weil es gut geschrieben ist, weil es meine Art von Humor ist, und weil es viele Kochwahrheiten enthält die Profis bekannt sein sollten, aber nicht immer sind. Wer weiß schon, dass es Stunden braucht, um eine wirklich gute Tomatensoße herzustellen? Alle Leser der Anonymen Köche wissen das jetzt. Eine 15-Minuten-Tomatensoße, die auch noch schmeckt, gibt es nicht. Auch, wenn immer noch viele Profiköche uns das glauben machen möchten. Erst das stundenlange Köcheln der Tomaten fördert den Prozess der Aromenbildung aus Aminosäuren, Zuckern und so genannten Neurotransmitter-Analoga. Sogar psychoaktive Substanzen entstehen dabei, und die machen süchtig. Nach mehr – und nach mehr Lektüre der Anonymen Köche.
Nicht unerwähnt lassen möchte ich die gelungenen Illustrationen von Patrick Widmer. Mit wenigen Strichen und Formen Stimmungen erzeugen, möchte jeder können, kann aber nicht jeder. In jedem Fall sind sie eine Bereicherung für das Buch, das einzige und gelungene Extra.
Mein Fazit: Kaufempfehlung an alle, die sich zwar ernsthaft mit Kochen beschäftigen, die aber alles andere als verbissene Rezeptfanatiker sind. Kochen ist vor allem Freude. Freude, die man teilen sollte. Claudio del Principe hat sie mit seinen Lesern geteilt. Danke, Claudio!