Deutsche Köche als internationale Nullnummern?

Der ehemalige Artrockmusiker und seit Ende der 90er Jahre Restaurantkritiker Jürgen Dollase beklagt in seiner FAZ-Kolumne „Geschmackssache“ das mangelnde internationale Profil der deutschen Spitzenköche. Mitunter durchaus zu Recht, wenn er zum Beispiel moniert, dass viel zu viel am natürlichen Geschmack manipuliert und oft mit aufgeschlagenen Sößchen überdeckt wird. Ebenso die ewig gleichen Zusammensetzungen von Aromen mit Kräutern und Gewürzen, die man auch beim Discounter einkaufen könne. Soweit so gut. Muss ich denn aber als deutscher Koch auch Chemiker oder Molukularbiologe sein, um internationales Renomée zu bekommen? Die abenteuerlichen Kreationen eines Ferran Adrià kann man gut finden (Olivenölbonbons mittels flüssigem Stickstoff hergestellt; Wolfram Siebeck meint dazu in der „Zeit“: … der letzte Schrei in der Molekularküche und für die Kochkunst ungefähr so wichtig wie ein Auspuff an einem Segelflugzeug.“), muss es aber nicht. Soll sich ein Koch – wie Adrià es tut in seiner Freizeit mit Wissenschaftlern, Lebensmittelchemikern zusammensetzen, um neue Rezepte auszutüfteln, die allenfalls optisch etwas hermachen? Wer mag Olivenölbonbons lutschen? Siebeck meint dazu: „Ob in weiteren 40 Jahren an den Küchenherden verkrachte Chemiestudenten mit Injektionsspritzen stehen und den Schweinebraten impfen werden, damit die Moleküle was zu lachen haben, ist wieder eine Frage ohne Antwort. Da aber der Nobelpreis ungeduldig mit den Hufen scharrt, wird schon jemand herausfinden, wie man Schokoladenpudding mit Hilfe der Neutronenbeschleunigung an die Wand nagelt und gleichzeitig die Gletscherschmelze in den Alpen nach Lavendel duften lässt.“
Solange soche Ausnahme-Köche als die neuen Küchengurus gefeiert werden, haben es die deutschen Köche wohl schwer. Allenfalls schlechte Kopien sind zu erwarten (von einigen bekannten Köchen wie Tim Mälzer mehr schlecht als recht praktiziert). Hier hülfe die Besinnung auf das Wesentliche, die natürlichen Aromen und durchaus auch auf heimische Produkte. Muss es denn unbedingt der St. Petersfisch aus dem See Genezareth sein? Tut es nicht auch mal eine Renke aus bayerischen Seen? Ist die Fleischeslust nur mit japanischem Kobe-Rind zu stillen, oder vermag es nicht auch ein heimisches Weide-Rind oder eine Heidschnucke? Schaut man sich die Fotos in den Hochglanzmagazinen wie „Der Feinschmecker“ an, könnte man vermuten, die Köche seien eher Verpackungskünstler und die Rezepte orientierten sich mehr an der Optik und an der Beschaffenheit der Produkte (um sie mit dem gewünschten Ergebnis zu Verpackung und Dekoration zu degradieren), als an deren Geschmack.
An der italienischen Küche, die mit den natürlichen, unverfälschten Aromen der verwendeten Produkte auskommt, könnte sich der eine oder andere Koch orientieren; zu optischer und kulinarischer Verfeinerung reichen manchmal schon ein paar Tropfen ausgezeichtes Olivenöl.