Man kommt schon mal auf abstruse Ideen, wenn man gerne kocht. Da probiert man Dinge aus, die eigentlich gar nicht gehen, die dann aber doch Bestand haben. Der „Toast Hawaii“ von Clemens Wilmenrod mal als Beispiel, oder Mohrenkopf im Brötchen (ich weiß, politisch nicht korrekt, aber Mohrenkopf bleibt Mohrenkopf und Negerkuss Negerkuss, so!). Auch Harzkäse mit Marmelade finde ich eine seltsame Kombination, um es mal vorsichtig zu formulieren. Sogar Spitzenköche wie Henry Levi kommen auf zuerst nicht nachvollziehbare Kombinationen, wie Seezunge mit Räucherspeck in einer Sahnesauce. Nun bin ich weder Fernseh- noch Spitzenkoch, trotzdem mache auch ich mir Gedanken um neue Gerichte. Da es bei uns öfter Pizza gibt, hatte ich nun die Idee, diese mit einem nordhessischen Nationalgericht zu „vermählen“, dem Weckewerk. Die Nichthessen werden sich nun fragen, was das denn ist, Weckewerk. Zuerst einmal ein relativ preiswertes Essen, bestehend aus Schweinehackfleisch, Schwarten, Gewürzen (Salz, Pfeffer, Majoran, Kümmel u. a.) und Brötchen – in Hessen auch Wecken genannt. Bei den Hausschlachtungen wurden in dieser „Spezialität“ die Schlachtabfälle verwertet. Alles durch den Wolf gedreht mit etwas Schlachtebrühe vermengt und gut gewürzt. Waren die Zeiten schlecht, kamen mehr Wecken (oder Weggen) hinein, in besseren mehr Fleisch. Angeboten wird es heute meist gekocht im Kunstdarm. Es wird entweder in Scheiben geschnitten und gebraten, oder im Topf heiß gemacht. Dazu gibt es Kartoffeln und Essig- oder Salzgurken, Rote Beete oder grünen Salat. Normaler Weise. Für die Hessenpizza ist alles anders.
Zuerst benötige ich einen Pizzateig, dessen Rezept ich nach jahrelangem Herumexperimentieren für mich quasi zementiert habe. Zum einen ist es leicht zu merken, zum anderen passt die Menge genau in meine Küchenmaschine:
- 500 g Pizzamehl (Farina di grano tenero tipo „00“)
- ½ Liter Wasser, handwarm
- 21 g Hefe (also ein halber Würfel)
- 4 cl bestes Olivenöl
- Meersalz
Das Wasser, die zerbröselte Hefe und das Salz in die Küchenmaschine (Schüssel mit Knethaken) geben und so lange rühren, bis sich die Hefe aufgelöst hat. Nach und nach das Mehl dazugeben, zwischendurch das Olivenöl hineinkippen. Mindestens zehn Minuten (je länger, je besser, der Teig sollte einem samtigen Glanz bekommen) gut durchkneten, den Teig anschließend in eine Schüssel geben, mit einem Tuch abdecken und vier Stunden gehen lassen. Dann pro Pizza aus dem Teig ein Kügelchen formen, auf eine bemehlte Arbeitsfläche geben und abgedeckt – quasi betucht – nochmals eine Stunde zufrieden lassen. Die Teigmenge reicht für ca. acht Pizzen, also gibt es immer zwei Tage Pizza. Der Teig hält sich gut eine Woche im Kühlschrank. Wundersamer Weise ist er am zweiten Tag besser als am ersten.
Traditionell kommt auf die Pizza eine Tomatensauce, die ich wie folgt herstelle: Eine 850 ml-Dose geschälte Tomaten in eine Schüssel geben, mit Salz und Pfeffer aus der Mühle, sowie zwei EL getrocknetem Oregano würzen, 5cl bestes Olivenöl dazu und das ganze mit dem Stabmixer pürieren. Alle tradionsbewussten Italiener lesen den nächsten Absatz bitte NICHT!
Üblicher Weise wird unsere Pizza mit der Tomatensauce und geraspeltem Käse belegt. Eigentlich mit Mozzarella, oft aber nur mit mittelaltem Gouda. Darauf kommt dann allerlei Gedöns: von der Salami über Schinken, Paprika, Champignons bis zu den Oliven, jeder nach seinem Gusto.
Für meine Hessenpizza geht das so nicht. Weckewerk und Käse passen nicht wirklich, weshalb ich den Käse im Rand versteckt habe, da sieht ihn ja keiner. Zudem gibt das einen hohen knusprigen Rand, und es kann nichts hinunter laufen von der Pizza. Für die säuerliche Komponente, die sonst von den Gurken übernommen wird (Essiggurke auf Pizza habe ich mich einfach nicht getraut), habe ich die Tomatensauce und eingelegte Peperoni geplant. Also: Erst die Tomatensauce auf dem Teig verteilt, dann vier relativ dünne Scheiben Weckewerk in die Mitte der Pizza gelegt und mit Peperoni belegt. Nun bei größter Hitze (mehr als 250°C schafft meiner nicht, Mistding) ab in den Ofen.
Das Ergebnis sah gar nicht mal so schlecht aus, der Geschmack ließ aber deutlich zu wünschen übrig. Das Weckewerk hatte eine recht mehlige Konsistenz, die überhaupt nicht passte. Dollase sagte vielleicht: „Wir empfinden in diesem unaufgeregten, aber äußerst gediegenen Werk vor allem mehlige Grundnoten im Geschmacksraum.“
Zur Nachahmung also nicht empfohlen. Wer es doch tut, soll sich hinterher nicht beschweren, vor allem nicht bei mir.