Öliche Weihnachten

„Nun komm schon, Caspar, mach mal hinne, du hältst uns auf. Und was hast Du denn in dem Riesenpaket? Hätten ein bisschen Weihrauch und Myrrhe nicht gereicht?“

„Nein, mein lieber Melchior! Wenn schon, denn schon. Ich will mich vor dem Heiland schließlich nicht blamieren. Weihrauch und Myrrhe, pah! Kaum auf der Welt, da soll der auch schon in die Esoterikecke gedrängt werden. Nein, nein, der bekommt was Besonderes!“

„Heh, ihr beiden,“ ruft Balthasar dazwischen, „wir folgen hier dem Stern von Bethlehem. Wenn ihr weiter so trödelt, dann geht die Sonne auf, und wir stehen mitten in der Wüste, und zwar ohne Heiland.“

„Ja, ja, ich beeile mich ja schon“, sagt Caspar, „wenn ihr echte Freunde wärt, würdet ihr zumindest mal mit anpacken, dann ging’s auch schneller.“

So halfen Melchior und Balthasar Caspar mit der schweren Kiste, trotzdem war die Reise mühsam. Man glaubt gar nicht, wie schnell so ein Stern ist, wenn man schwer zu schleppen hat. Zudem boten die drei schon ein merkwürdiges Bild, wie sie sich so abmühten mit Caspars Kiste. Irgendwie so gar nicht königlich, das Ganze. Schon weit nach Mitternacht meinte Melchior: „Sagt mal, was haltet ihr denn davon, dass der Heiland von einer Jungfrau geboren wurde? Könnte es nicht sein, dass die Maria dem Josef ein Kuckucksei unterjubeln will?“

„Ich weiß nicht, was Du meinst,“ Melchior, „schließlich handelt es sich um den Heiland, und da wird nur gejubelt, und nicht untergejubelt. Wenn Gott das so vorgesehen hat, dass sein menschgewordener Sohn durch einer Jungfrau Schoß das Licht dieser Welt erblickt, dann stellt man das nicht in Zweifel.“ sagt Caspar. „Schließlich schleppen wir uns hier nicht für einen Bastard mit den wertvollen Geschenken ab. Das ist der „König der Juden“! Sogar Herodes glaubt der Prophezeiung und lässt schon mal prophylaktisch alle Neugeborenen im Land `über den Jordan gehen´.“

„Aber was ist denn nun drin, in der Kiste, die uns hier einen Bandscheibenschaden bescheren möchte?“ fragt Balthasar, der sich aus der Diskussion um Kuckuckseier und Jungfrauenschöße erfolgreich herausgehalten, aber interessiert zugehört hat.

„Das werdet ihr erst erfahren, wenn wir dem Heiland gegenüberstehen, jedenfalls ist das nicht so ein olles Kräutergelumpe, wie ihr es anschleppen wollt.“ erwidert Caspar.

„Nun mach mal halblang, Caspar,“ sagt Balthasar, „es geht hier um die Symbolik, nicht um den schnöden Mammon. Myrrhe ist ein Heilkraut als Geschenk für den von Gott gesandten Arzt und Heiler, deswegen wird das Kind ja auch Heiland genannt, und Weihrauch ist das Geschenk für den zukünftigen Hohepriester Israels. Und was ist mit Deinem Geschenk, Caspar? Wofür steht das, außer für Rückenbeschwerden und Mühsal?“

„Das werdet ihr schon früh genug erfahren, nur so viel: Es ist das Wertvollste, was Palästina zu bieten hat, und eines Königs würdig!“

So schwiegen sie eine Weile und gingen, ab und an stöhnend, weiter, immer dem Stern von Bethlehem folgend.

Als der Morgen so langsam herauf dämmerte, stellten sie fest, dass der Stern still stand. „Was ist denn nun, stöhnte Balthasar? Wartet er auf uns, weil er Mitleid hat?“

„Quatsch!“ gab Melchior zurück. „Wir sind fast da! Genau unter dem Stern finden wir den Heiland! Endlich! Mein Iliosacralgelenk will nämlich nicht mehr lange mit deiner Kiste zu tun haben, Caspar.“

„Musst die Last halt gleichmäßig verteilen, du gehst ja auch ganz krumm – wie ein lahmes Lama.“

„Noch so ein Spruch, Caspar, und du kannst sehen, wie du deine Kiste die letzten Meter bis zum Heiland allein schleppen kannst.“

„Nun beruhigt euch doch erst einmal, wir sind ja fast da! Was soll der Heiland von uns denken, wenn wir streitend wie die weinseligen, römischen Legionäre daherkommen?“, griff Balthasar ein.

„Erstens: Für römische Legionäre passen unsere Gewänder nicht; zweitens: Ich bin ruhig; drittens: Denken? Wie soll denn so ein Neugeborenes – Heiland oder nicht – denken? Der kann vielleicht Lahme gehend machen, aber wohl noch nicht denken!“ gibt Melchior zurück.

„Na dann bist Du mit deinem komischen Gelenk, dessen Vorhandensein mir bislang völlig entgangen ist, genau bei dem Richtigen, Melchior. Lasst uns endlich den Heiland sehen, schließlich habe ich auch noch was anderes zu tun.“ erwiderte Balthasar.

„Was hast du denn zu tun? Der Heiland ist ja wohl wichtiger, als deine unbedeutenden Tätigkeiten.“ gibt Melchior zurück. „In mehr als 2000 Jahren noch wird man den Heiland verehren! Du kannst von Glück sagen, wenn man den Anfangsbuchstaben deines Namens noch in irgendwelchen hinterwäldlerischen Gegenden an den Türstock malt!“

„Ja, ja,“ sagt Caspar, „ihr werdet schon sehen. Wenn der Heiland mein Geschenk bekommen hat, dann wird das Einzug halten in die Geschichte der Menschheit. Mein Name wird gleich nach seinem genannt werden. Man wird dieser Begebenheit ein großes Kapitel in der Dings, ähh, wie heißt es noch gleich, komme nicht drauf – egal, ich nehme mal ein Fantasiewort dafür – in der Bibel widmen, jawohl!“

So kamen sie nun an ein heruntergekommenes Gebäude, das doch sehr an einen Stall erinnerte. Genau über diesem stand der Stern von Bethlehem.

Weihnachtskrippe

Bild: wikipedia.de/AxelR unter cc-Lizenz

„Ey, will der uns jetzt veräppeln? In dieser Baracke soll der König der Juden, der Heiland geboren worden sein? Kann das denn sein?“ fragte Melchior die anderen beiden.

„Glanz ist in der kleinsten Hütte!“ sprach Caspar, „Kommt, lasst uns hineingehen.“

Und so klopften Sie denn an, und betraten den kleinen Raum, in dem sich der Heiland befinden sollte. Das erste, was sie sahen, war aber nicht der Heiland, sondern ein Esel, der genau vor ihnen mit den Hufen scharrte.

„Das isser nicht.“ sagte Melchior, und Kaspar erwiderte nur: „Blödmann!“

Sie gingen um den Esel herum und bemerkten neben einem Ochsen eine Futterkrippe mit Stroh und einem Tuch darin. Obenauf lag ein Säugling, der mit wachen Augen durch die Gegend schaute, und der von einem wundersamen Leuchten umgeben war. Ihm zur Seite standen, blöd grinsend, eine Frau und ein Mann, die den Blick nicht von dem Säugling lassen konnten, dem alle Aufmerksamkeit galt.

„Das muss der Heiland sein!“ sprach Melchior, kniete nieder und brachte dem Kind sein Geschenk, den Weihrauch dar, den die Mutter, nachdem er sich mehrmals laut räuspernd bemerkbar machen musste, dankend annahm. Auch Balthasar, der vorher mit Caspar die Kiste absetzte, kniete nun vor der Krippe, und bot dem Kindlein sein Geschenk an, die Myhrre, die Josef, stellvertretend für Gottes und nicht seinen Sohn, entgegen nahm.

Derweil fummelte Caspar an seiner Kiste herum, und versuchte – bislang vergeblich – sie zu öffnen. Endlich gab der Deckel der Kiste nach und ließ sich anheben. Sichtlich neugierig lugten Melchior und Balthasar in die Kiste, welche Ihren Inhalt nur den dreien preisgab. Amphoren aus Ton, mit Korken und Wachs verschlossen, vier Stück an der Zahl, jede mindestens fünf Liter fassend. Aber mit was?

Caspar nahm eine Amphore heraus, kniete sich vor dem Heiland nieder und fragte Maria: „Wie heißt denn dein Sohn nun eigentlich?“

„Jesus.“ antwortete Maria.

„Ach, Jesus? Nicht Kevin oder Ronnie?“

„Nein, Jesus!“

„OK, auch gut. Dann, lieber Jesus, nimm diese Gabe entgegen, den ganzen Stolz unseres Volkes,“ und dann ganz andächtig: „das grüne Gold! Olivenöl! Extra jungfräulich, wie Deine Mutter! Das Wertvollste, was das Volk Palästinas dir geben kann!“

„Olivenöl?“ meldete sich erstmalig Josef zu Wort. „Was soll unser Sohn (Unser Sohn, pffft! Anmerkung der Redaktion) denn mit Olivenöl?“

„Heilen,“ rief Caspar, „und den Menschen den wundervollen Geschmack des Olivenöls vermitteln, die pflegenden Eigenschaften für die Haut erklären und letztlich, den Frieden für die Menschen bringen!“

„Das alles soll Olivenöl vermögen?“ fragte Josef.

„Ja,“ erwiderte Caspar, „sogar wenn man nicht daran glaubt!“