Über Einfachheit oder Simplizität wurde schon viel geschrieben. Simplizität kann gut oder schlecht sein, in der Küche ist sie meistens gut. Aus wenigem etwas zuzubereiten das schmeckt, ist eine Kunst. Die zu erlernen ist aber nicht so schwer. Erstes Gebot: beste Qualität der Zutaten! Beherzigt man dies, ohne Kompromisse einzugehen, dann ist das schon die halbe Miete.
Denken Sie bei Tomatensalat an matschige Tomatenviertel in süßsaurer Essigbrühe mit labbrigen Zwiebeln? Dann wird es Zeit, etwas für die Reputation des Tomatensalats zu unternehmen. Das fängt mit der verwendeten Tomate an. In diesem Fall konnte ich einige Cuore di bue, auch Ochsenherztomaten ergattern. Diese Tomatensorte ist eine faltige Fleischtomate mit wenig Kernen aber viel Geschmack. Sie hat eine sehr weiche Haut (ist deshalb auch sehr empfindlich) und kann bis zu 500 g schwer werden. Der Transport gestaltet sich schwierig, weswegen auch nur wenige der Tomaten nach Deutschland finden. Meist nur in den Städten zu bekommen, die in der Nähe eines Großmarktes liegen. Die Preise liegen um die 5-6 Euro pro Kilo, kein preiswertes Vergnügen, aber den Preis wert.
Für den Tomatensalat benötige ich nur Tomaten, feine Zwiebelringe, am besten von roten oder Gemüsezwiebeln aus Eigenanbau, Fleur de Sel, schwarzen Pfeffer aus der Mühle (wenig), allerbestes Olivenöl (Laudemio) und einen guten Weinessig (Chianti-Essig). Mehr nicht. Höchstens zur Garnitur etwas Basilikum, muss aber nicht sein.
Für den Salat eignet sich am Besten eine große Platte. Die Tomaten, denen der Stielansatz entfernt wurde, werden in ca. 5 mm dicke Scheiben geschnitten, und zwar quer zum Stielansatz (als wollte man, stellt man sich den Siel durch die Tomate hindurch gehend vor, diesen jeweils durchschneiden), so tritt am wenigsten Flüssigkeit aus der Tomate, was bei der Cuore di bue allerdings kein Problem ist. Die Tomatenscheiben auf der Platte verteilen, mit Pfeffer und Fleur de Sel würzen, anschließend Olivenöl darüber treufeln. Jetzt noch ein paar Tropfen Essig dazu (weniger ist mehr) und die feinen Zwiebelringe darüber angerichtet. Ein paar Basilikumblätter zur Deko – fertig.
Wer übrigens Zwiebeln so nicht mag, oder nicht verträgt, der kann die Zwiebelringe vorher in kaltes Wasser geben, etwas mit der Hand kneten und darin 15 Minuten liegen lassen, das Wasser abgießen und die Prozedur zweimal wiederholen. Die (mit einem Küchentuch getrockneten) Zwiebeln sind immer noch knackig, haben aber den Großteil ihrer Aggressivität und Schärfe verloren, schmecken jetzt eher süßlich-pikant. Auch ganz ohne Zwiebeln schmeckt so ein Salat, wenn man vorher die Servierplatte mit einer halben Knoblauchzehe eingerieben hat.
Wo ich mich doch so über Qualität ausgelassen habe, präsentiere ich den Tomatenkennern und Fans eine Überraschung: die Cuore di bue kamen aus Holland! (Nicht so laut aufschreien, bitte! Ich bin empfindlich.) Und haben im hiesigen EDEKA-Markt „nur“ 2,99 € pro Kilo gekostet. Der Geschmack kam an die aus Italien kommende Ware natürlich nicht heran. Trotz Computer gesteuerter Nährstoffversorgung fehlt in Holland einfach die Sonne. Aber sie schmeckten besser als erwartet. Es war ein Experiment (und ich war in Not: alle anderen Tomaten waren auch aus Holland, es war die einzig annehmbare Alternative; Provinz halt). Es hat nicht geschadet. Der Salat wurde aufgegessen, die wenige Soße dreihändig (Frau, Tochter und ich – rechts, links, rechts) mit Weißbrot von der Platte gewischt.
Das war die erste Holland-Tomate, die ich seit zehn Jahren oder länger kaufte. Ich war auf Enttäuschung programmiert, hatte weniger als nichts erwartet. Davon ausgehend, war es nicht übel. Falls ein Leser mir allerdings sagen könnte, wo in Göttingen oder Kassel (oder nahe bei) ich original italienische (auch Ungarn wäre in Ordnung) Cuore di bue bekomme, idealer Weise noch nicht vollreif, wäre ich dankbar und machte den Salat noch einmal – und berichte dann von den geschmacklichen Unterschieden.
P.S. Im Jahr 2006 stand in der FAZ ein lesenswerter Artikel über Tomaten.