Qualität im Supermarkt

Der „Retter des Mittagessens“, Autor und Koch Sebastian Dickhaut veröffentlichte in seinem von mir sehr gern gelesenen Blog einen Leserbrief, den er vor einiger Zeit der Süddeutschen Zeitung hat zukommen lassen. Darin führte er unter anderm an:

Deswegen glaube ich jetzt einfach mal, dass Sortiment und Qualität im Supermarkt viel besser geworden sind und weiter besser werden; und dass irgend jemand all das Frische an Gemüse, Fleisch, Fisch, Käse usw. in unseren Läden auch kauft, kocht und gerne isst; und dass immer noch Leute in Lokale gehen, von denen es nicht nur in München immer noch fast an jeder Ecke welche gibt.

Ich glaube einfach, dass es uns sehr gut geht und dass wir das auch zugeben sollten – alles andere wäre obszön gegenüber jenen, die beim Essen keine Wahl haben. Und es wäre eine Verschwendung: Denn wir sind längst schlau genug, um das Schlechte vom Guten und die Bösen von den Lieben zu unterscheiden.

Tomaten - die MogelpackungWas das Supermarktsortiment in unserer Region angeht, kann ich das so nicht unterschreiben, und schrieb einen Kommentar dazu, den ich am Ende des Eintrags hier noch einmal veröffentliche (Kommentare werden bei Sebastian Dickhaut von ihm selbst freigeschaltet, was zur Zeit noch nicht geschehen ist.)
Gerade, weil ich mich am Wochenende wieder über das Sortiment von Obst und Gemüse ärgern musste, kam der Artikel gerade recht.
Ich frage mich seit einiger Zeit, was denn die Spanier mit ihren wohlschmeckenden Tomaten machen. Selber essen? So viel schaffen die nicht. Warum bekommen wir hier in Deutschland nur noch „Hingucker“ und keine „Hinschmecker“ mehr? Auch hier wurde schon über die tollen Geschmackstomaten berichtet. Im Grunde ist ja jede Tomate eine Geschmackstomate; die Frage ist nur: schmeckt sie gut oder schlecht? Meist ist leider letzteres der Fall, aber auch schlechter Geschmack ist Geschmack! Nun will ich aber nicht zu sehr auf die Supermärkte schimpfen, ich vermute einfach: sie wissen es nicht besser!

Hier mein Kommentar:

Qualität im Supermarkt viel besser? Nun gut, wenn man – wie Sie – in der Metropole München wohnt, mit seinem Großmarkt und den Schlachthöfen, dann mag das stimmen. Wenn man allerdings – wie ich – in der tiefsten kulinarischen Provinz wohnt, dann stimmt das mit Sicherheit nicht! Das, was uns hier in den Supermärkten an Obst und Gemüse, Fleisch und Wurst angeboten wird, hat mit Qualität nur soweit zu tun, dass Belastungen mit Schadstoffen sich in Grenzen halten (Obst, Gemüse) und dass Fleisch viel weniger Fett enthält, als noch vor 20 Jahren (ob das ein Zeichen von Qualität ist, lasse ich mal dahingestellt), und, dass die Optik stimmt.
Die von Ihnen angesprochenen Äpfel stammen aus Übersee und sind nach drei Tagen in der Obstschale so mehlig, dass man sie nicht mehr essen möchte (mehr als drei Sorten gibt’s sowieso nicht). Gute alte Sorten wie Cox Orange, Gravensteiner, ja sogar Boscop findet man selten bis gar nicht (auch nicht im Herbst). Kennen Sie Golden Delicious? Nein, nicht den, der grün daher kommt und nach fast nichts schmeckt; der aus dem Nonstal, gelb mit roten Bäckchen von Sonne und Nachtkälte. Mit richtigem Aroma. Aus der Traum! Zumindest hier im südlichen Niedersachsen.
Tomaten, auch solche, die als „Geschmackstomaten“ verkauft werden, sind meist nicht schmackhaft, sondern „verwöhnen“ uns eher mit dem Geschmack einer Kreuzung aus holländischer Salatgurke und Löschpapier. Die „Mogelpackung“ Rispentomaten verführt mit Tomatenduft, der mitnichten von den Tomaten, sondern vom Grün kommt. Wirklich Schmackhaftes ist nicht zu erwarten, um so mehr ist man freudig überrascht, hat sich doch einmal ein wohlschmeckendes Produkt in die Läden verirrt.
Für mich, der ich aus einer Familie komme, die drei Generationen mit Obst und Gemüse gehandelt hat, ist das Angebot frustrierend. Es geht nicht um Qualität im Sinn von Geschmacksvielfalt, es geht um Optik, Größe, Farbe und Preis. Geschmack ist seit Jahren Nebensache, zumindest für die Einkäufer der Supermärkte, die oft genug gar nicht entsprechend warenkundig sind. Fragen Sie mal einen, ob er den Unterschied zwischen Mandarinen, Clementinen, Satsumas und Clauselinas kennt, zwischen Navel- und Navelina-Orangen, oder was bei Trauben aus Italien „Grappoloni“ bedeutet.
Über Fleisch habe ich bei mir drüben im Blog schon einiges geschrieben, das muss ich hier nicht wiederholen.
Ihr beschriebenes Schlaraffenland ist für mich ein oberflächiges; bei den letzten beiden Absätzen bin ich allerdings Ihrer Meinung – abgesehen vom Knoblauch, den liebe ich. Dass es nicht selbstverständlich ist, sich gut und gesund ernähren zu können, sehe ich ebenso. Ich wünsche mir nur, dass der Geschmack bei Lebensmitteln wieder in die Bewertungs- und somit Einkaufskriterien mit einfließt.
Gerne würde ich wieder einmal in München den Viktualienmarkt besuchen und dort einkaufen, da sind noch Händler, die auch auf den Geschmack achten, und vor allem wissen, wo sie solche Produkte einkaufen können (wenn sie sie noch finden, was schwieriger wird).
Herzliche Grüße
Mike Seeger