Woran macht man die fest? Dr. Friedhelm Mühleib geht da den Weg des Ernährungswissenschaftlers, der er nun mal ist, und behauptet in seinem lesenswerten Blog: Die Qualität unseres Fleisches hat sich in den letzten Jahren erheblich verbessert. Die Gründe für die Behauptung führt er auch an: Fleisch enthält viel weniger Fett als noch vor 25 Jahren und die Qualität des Fettes hat sich auf Grund der Fütterung mit hohen Ölsaatenanteilen verbessert. Das stimmt sicher, und bietet dem Verbraucher ein ernährungsphysiologisch optimales Fleisch.
Jeder Gourmet schüttelt jetzt aber den Kopf. Zu Recht, wie ich finde. Gute Fleischqualität fängt bei Rasse und Aufzucht an. Turboschweine mit angezüchteten Rippen (mehr Koteletts), die nach drei Monaten Schlachtreife erreichen, auch Dank des speziellen Futters, werden mit LKW in die Schlachthäuser transportiert, wo sich dann die Schlachter aus der Region ihre zerlegten Tiere abholen, um daraus Wurst zu fertigen.
Ich wohne gegenüber einem landwirtschaftlichen Betrieb, der bis vor ein paar Monaten auch Schweine aufgezogen hat. Die kamen als Ferkel an, und wurden nach drei Monaten, des Nachts um zwei Uhr mit dem LKW wieder abgeholt. Der Fahrer hatte es immer eilig, sodass er erst ziemlich spät bremste, wenn es um die Kurve zum Bauern ging. Das Gequieke war groß, denn die schon auf dem Fahrzeug befindlichen Tiere polterten durcheinander Richtung Fahrerhaus und anschließend Richtung linke Bordwand. Dann wurden die zum Schlachten auserkorenen Tiere des Landwirts unter Zuhilfenahme von Stöcken und in Gummistiefel gekleidete Füße in das Fahrzeug getrieben. Qualitätsfleisch, ganz bestimmt! Im Labor zumindest. Sicherlich werden in ein paar Jahren die Schweine, wegen der besseren Handhabbarkeit, mit eckigen Hintern durch die Gegend laufen – halt, geht ja nicht, die stehen ja bloß im Stall rum. Und der Geschmack? Nebensächlich. Ich hatte einmal einem Kochlehrling ein rosa Schwammtuch zurechtgeschnitten und paniert, anschließend gebraten und vorgesetzt. Etwas schlecht zu kauen, meinte er, aber sonst ganz gut. Dieser wird sich heute sicher auch mit der tollen, wertvollen Fleischqualität zufrieden geben.
Es gibt sehr viele alte Schweinerassen (Wollschweine, Schwarzbunte, Schwäbisch-Hallesches Landschwein usw.), die mittlerweile wieder gezüchtet werden, weil die Fleischqualität einfach besser ist, und gerade weil diese Schweine während der etliche Monate mehr andauernden Aufzucht Fett ansetzen. Fett ist nicht nur „Igitt“, sondern in erster Linie auch Geschmacksträger. Zudem auch dringend erforderlich, wenn man eine vernünftige Mettwurst machen will.
Wirklich wahr: Da gibt es Schlachter mit eigenem Hof, wo die Schweine im geheizten Stall mit lustigem Spielzeug spielen dürfen, während Musik aus Lautsprechern schallt, besondere Duftspender den Stall aromatisieren, damit die Schweine auf Antibiotika verzichten dürfen. Sollte doch mal eines krank werden, wird es mittels Reiki geheilt, während der Landwirt und Schlachter einen Brief an den lieben Gott verfasst. Leider: Geht es ans Wurstmachen, wird Glutamat in die Wurst geballert, dass vor lauter Umami die Synapsen durchknallen.
Zum Rindfleisch: mager muss es sein, und vor allem Rendite abwerfen. Mehr als zwei Jahre gönnt man so einem Ochsen oder Bullen (oder der Kuh) nicht, bevor er unters Messer des Konsumenten muss. Mit Super-Turbo-Hastenichtgesehen-Futter (bis vor einigen Jahren gern auch mal mit Tiermehl) zur Schlachtreife getrieben, höchstens fünf Tage im Kühlhaus gereift, wird es zerlegt und kommt ernährungsphysiologisch wertvoll auf unsere Teller. Essbar nur nach ausreichend langer Garzeit, und die Steaks sind nur mit extra-scharfen Sägemessern zu zerteilen. Kauen geht gar nicht – dreimal angekatschelt und runter damit.
Ich kann mich noch gut an das Fleisch Mitte der 80er Jahre erinnern. Zum Beispiel das aus Schottland, vom Angus-Rind. Das verbrachte mindestens drei Jahre auf den saftigen Wiesen des schottischen Hochlands, wurde nach der Schlachtung oft mehr als drei Wochen trocken gereift. Ergebnis war ein herrlich marmoriertes (mit kleinen und kleinsten Fettäderchen durchzogen, siehe Bild) Fleisch mit einem unvergleichlich köstlichen Aroma. Ein Filetsteak, bei kleiner bis mittlerer Hitze in Olivenöl und Butter gebraten, mit einem Rosmarinzweiglein als Pfannenbegleiter: das ist Fleischgenuss pur. Die Konsistenz: man konnte es mit dem Löffel zerteilen und notfalls sein Gebiss in der Kukidentlake vergessen haben. So etwas gibt es heute nicht mehr, da hat Dr. Mühleib recht. Es gibt aber einige Schlachter, die erkannt haben, dass für gute Qualität ein Markt da ist. Ich freue mich jetzt auf ein gutes Stück vom Salzwiesenkalb.
Auch ein Fleischhändler, der seine Ware über das Internet vermarktet, hat hochwertiges Fleisch im Angebot. Einziger Nachteil: fast alles schockgefrostet.
Ich bin seit einiger Zeit auf der Suche nach Landwirten, die meine Idee von Qualitätsfleisch mittragen, um vernünftiges Fleisch zu vermarkten. Sicherlich geht das nicht für 5 € pro Kilo über den Ladentisch, aber dann bekommt der Begriff „Festtagsbraten“ wieder einen Sinn. Weniger Fleisch von besserer Qualität kann ich also durchaus befürworten. Allerdings nur, so lange ein Filetsteak von 150 Gramm nicht als „stattlich“ durchgeht. Das ist ein Medaillon oder Tournedo; letzteres kommt meist mit schierem, weißen Speck! umwickelt in die Pfanne.
Mein Fazit: Fleischqualität ausschließlich an Inhaltsstoffen festzumachen, ist mir zu dürftig. Rasse, Aufzucht und Reife müssen stimmen, dann stimmt die Qualität und auch der Geschmack.
Was nützt mir beispielsweise das beste Olivenöl mit 1500 mg Polyphenolen, 1500 mg Tocopherol und 0,0% freien Fettsäuren, wenn es nicht schmeckt? Nichts, es verkaufte sich nicht, es wäre zu scharf und zu bitter.