Wilmenrodiaden: „Festtagsragout Hellas“

Ihr lieben, goldigen Menschen1, ich begrüße Sie heute zu einem Gericht, welches es vermag, die Herzen der Feinschmecker in luftige Höhen steigen zu lassen. Zuvor aber noch ein paar Worte zur Entdeckung dieser famosen Preziose der Feinschmeckerei.

Es begab sich zu einer Zeit, in der ich auf Urlaub in Griechenland, genauer, dem Peleponnes weilte. Dort verbrachte ich meine Tage, wie einst Hölderlin in seinem Hyperion, durch die Landschaft schlendernd, vorbei an Olivenhainen, die silbrig in der Sonne schimmerten, an duftenden Orangenhainen, die die Sinne anregten und es wurde mir ganz leicht ums Herz. Ein Gedicht von Hölderlin drängte sich in meine Gedanken:

Griechenland

Wie Menschen sind, so ist das Leben prächtig,
Die Menschen sind der Natur öfters mächtig,
Das prächtge Land ist Menschen nicht verborgen,
Mit Reiz erscheint der Abend und der Morgen.
Die offnen Felder sind als in der Ernte Tage,
Mit Geistigkeit ist weit umher die alte Sage,
Und neues Leben kommt aus Menschheit wieder,
So sinkt das Jahr mit einer Stille nieder.

Wie ich nun der Schönheit der Landschaft folgend die Zeit vergaß, mich erst der Hunger daran erinnern musste, doch irgendwo einzukehren. In einem kleinen Dorf namens Pigi Platsas machte ich mich auf die Suche nach einem Gasthof, einer Taverne oder einer Bar, die mir etwas Essbares bieten konnte. Vergeblich. Einsam und verlassen schien das Dorf im nachmittäglichen Sonnenlicht, einsam und verlassen schien auch ich, sitzend auf ein paar Stufen vor einer Kapelle. Nun, das Scheinbare ist es ja, was das Leben mitunter so spannend macht. Denn die Tür der Kapelle öffnete sich, und heraus kam eine nun lärmende Hochzeitsgesellschaft, die mich sofort für sich vereinnahmte und singend und tanzend mitschleppte auf einen kleinen Bauernhof, in dessen Garten sich eine riesige gedeckte Tafel auftat. Man drängte mich, doch mit zu feiern und zu essen, alle meine Beteuerungen, ich sei doch nur zufällig hier vorbei gekommen, fruchteten nichts; was mitunter daran gelegen haben mochte, dass mein Griechisch nicht nur eingerostet, sondern fast nicht vorhanden war. So durfte ich eine Gastfreundschaft genießen, ihr lieben, goldigen Menschen, die ich hier in Deutschland nie erfahren habe.

Am nächsten Tage machte ich mich – ich gebe es zu: mit leicht brummendem Schädel – mit einem Dolmetscher auf den Weg zu diesem Bauernhof, mit einem Brautgeschenk unter dem Arm und gehörigem Wissensdurst im Kopf, denn ein aromatisches Ragout hatte am frühen gestrigen Abend meine feinschmeckerische Aufmerksamkeit erregt. Die Zutaten zu diesem Gericht musste ich unbedingt erfahren, das war ich mir und meiner Feinschmeckergemeinde schuldig. Nach einem eher holprig verlaufenen Gespräch mit der alten, fast zahnlosen, aber nichtsdestoweniger stolzen Dame des Hauses, gelang es mir, ihr die Zutaten und Zubereitung für diesen unvergleichlichen Genuss zu entlocken, womit wir nun zur Hauptsache kommen, dem „Festtagsragout Hellas“2.
Man benötigt hierzu:

  • 1,5 kg Rindfleisch (aus der Schulter oder der Keule)
  • 1,5 kg Perlzwiebeln oder Schalotten (frisch)
  • 2 EL Tomatenmark
  • 100 ml Olivenöl von Alisseos oder Helena
  • 4 Knoblauchzehen, fein gehackt
  • 1 Glas trockenen Rotwein
  • 400 gr Tomaten in Würfel geschnitten
  • 1000 ml passierte Tomaten
  • 4 Lorbeerblätter frisch oder 5-6 getrocknete
  • 1 TL (nur schwach gehäuft) Cumin
  • 1 TL (nur schwach gehäuft) gemahlene Nelken
  • 1 TL (nur schwach gehäuft) gemahlene Muskatnuss
  • 1-2 Zimtstangen
  • 50 g Butter
  • 4 EL gehackte, frische Blattpetersilie
  • Meersalz, schwarzer Pfeffer aus der Mühle

Am Besten eignet sich dieses Schmorgericht bei uns für die kalte Jahreszeit, denn für die ungewöhnlichen Gewürze ist der deutschen Gaumen eher in der Winterzeit empfänglich. In Griechenland findet man dies Ragout das ganze Jahr über, und es wird dort sowohl mit Rindfleisch, Kalbfleisch, Kaninchen, Ziege oder sogar mit Oktopus zubereitet. Natürlich habe ich es mir nicht nehmen lassen, dies Rezept etwas zu modifizieren, um seine lukullischen Freuden noch zu erhöhen.

Falsches Filet vom Rind

Ich verwendete für die Zubereitung das „falsche Filet“ vom Rind. Überaus geeignet, noch dazu sehr mager.

Perlzwiebeln und Schalotten eingeweicht

Die Schalotten und die Perlzwiebeln weichte ich der einfacheren Schälbarkeit halber in warmes Wasser ein. Trotzdem flossen beim Schälen ein paar Tränen – ich deutete sie als Vorfreude auf den Genuss.

Vor der Zubereitung lassen Sie das Rindfleisch in der Küche auf Zimmertemperatur erwärmen, schneiden es anschließend in ca. 4 mal 4 cm große Stücke, nicht kleiner. Nun heizen Sie den Ofen, hier ist der Heinzelkoch3 eher nicht geeignet, auf 150°C vor. Derweil nehmen Sie einen großen Bräter, der auch über einen Deckel verfügen sollte, stellen ihn auf den Herd und braten darin das Fleisch in dem Olivenöl scharf an. Es sollte gut Farbe nehmen, nur so bildet sich der typische Rindfleischgeschmack heraus. Ist das Fleisch rundherum gebräunt, kommen die Gewürze und der Knoblauch dazu und werden kurz mit angeschmort. Erst jetzt wird gesalzen und gepfeffert. Nun wird das Tomatenmark hinein gegeben und ebenfalls mit angeröstet. Dann folgen die Tomatenstücke.

Gewürfelte Tomaten und Knoblauchzehen

Die Tomaten befreite ich nicht extra von der Schale, den Knoblauch hackte ich klein.

Nun wird mit einem Glas Rotwein abgelöscht und der dem Topfboden anhaftende Bratensatz mit einem Schaber gelöst, damit er sich aufs Vortrefflichste mit der Soße verbinden kann. Man füllt nun mit den passierten Tomaten auf, das Fleisch sollte gut bedeckt sein. Reicht es noch nicht ganz, kann mit Rinderbrühe oder auch nur etwas Wasser aufgefüllt werden. Anschließend kurz durchrühren, damit sich alle Aromaten – der Feinschmecker spricht bei den aromaträchtigen Zutaten von Aromaten – verbinden können. Und nun, liebe Freunde in Lukullus4, werden die geschälten Perlzwiebeln oder Schalotten gleichmäßig auf dem Ragout verteilt, denn sie sollen möglichst ganz bleiben. Sodann geben wir die Butter in Flocken auf das heimelig brodelnde Ragout, und decken dieses mit Backpapier ab, sodass wenig Flüssigkeit heraus kann, geben den Deckel auf den Bräter, und schieben ihn für zweieinhalb bis drei Stunden in den vorgeheizten Backofen.

Das Festtagsragout auf dem Weg in den Ofen

Das Festtagsragout Hellas ist jetzt bereit für den Backofen. Nur noch das Backpapier darauf, den Deckel aufsetzen und für zweieinhalb bis drei Stunden in den Ofen schieben.

Nach zweieinhalb Stunden testen Sie mit einer Gabel, ob das Fleisch weich ist. Es sollte sehr weich sein, fast schon zerfallen. Ist dies noch nicht der Fall, geben Sie den Bräter für eine weitere halbe Stunde in den Ofen. Danach holen Sie ihn heraus und prüfen abermals die Konsistenz des Fleisches. Ist es nach Gusto, rühren sie ganz vorsichtig um, damit die Zwiebeln und das Fleisch ganz bleiben, schmecken ab, geben die gehackte Petersilie dazu und würzen gegebenenfalls mit etwas Salz und Pfeffer nach.

Das Festtagsragout Hellas

Schon lang vorher zog ein Appetit anregender, und doch eher ungewöhnlicher Duft durch das ganze Haus, und weckte die höchsten Erwartungen an den Geschmack des Ragouts, welche durch den tatsächlichen Genuss noch überflügelt wurden. Als Beilage reichen Sie Nudeln, Reis oder im Ofen gebackene Kartoffeln. Auch nur ein einfaches Weißbrot wäre kein kulinarischer Fauxpas. Diese Zubereitung reicht für mindestens sechs normale Esser, welche sich immer wieder gerne an dies Geschmackserlebnis erinnern werden.

1 Mit „Ihr lieben, goldigen Menschen“ begrüßte Clemens Wilmenrod, der erste Fersehkoch Deutschlands, seine TV-Zuschauer in den ersten Jahren der Sendung „Clemens Wilmenrod bittet zu Tisch“. (Quelle: wikipedia)

2 Das „Festtagsragout Hellas“ ist nichts anderes als die leicht geänderte Fassung des Rezeptes für „Stifado“, welches ich mir bei Susa auf dem schönen Blog Monambelles abgeschaut habe, in dem wunderbare griechische Rezepte zu finden sind. Nun kenne ich Susa leider nicht persönlich, bin mir aber sicher, dass sie weder zahnlos, noch alt ist. Die Geschichte entsprang nur meiner (merkwürdigen) Fantasie.

3 Der „Heinzelkoch“ war ein in der Sendung Wilmenrods gern benutzter Schnellbräter, der wohl über Ober- und Unterhitze verfügte, sich meines Wissens aber nicht auf eine bestimmte Temperatur einstellen ließ. Ich könnte hier einen Link zu einer PDF-Datei setzen, die zu einer Werbebroschüre über den Heinzelkoch aus dem Jahr 1941 führt, in der auch (sehr interessante) Rezepte aufgelistet sind. Allerdings führt dieser Link auf die Seite eines NPD-Mitglieds, weshalb ich mir die Verlinkung spare. Internetaffine Nutzer werden die Datei auch ohne mich finden.

4 „Liebe Freunde in Lukullus“ war nach einigen Sendungen die nächste Begrüßungsfloskel Wilmenrods, der später die Begrüßung „Verehrte Feinschmeckergemeinde“ folgte. (Quelle: wikipedia)

Anmerkung

Zu meiner großen Schande muss ich gestehen: Ich war noch niemals in New York, und leider auch nie in Griechenland. Was ich zumindest im letzteren Fall baldigst zu ändern gedenke. Wenn ich also von einem Land vorschwärme, in das ich noch keinen Fuß gesetzt habe, geschieht das, weil einige Freunde mich an ihren Erlebnissen in Griechenland teilhaben ließen und immer noch lassen (Den Nicht-Humor-Resistenten empfehle ich die Erlebnisse meiner Gertrud in Griechenland, einer – erfundenen – Hausfrau aus dem Niedersächsischen mit allerlei sprachlichen Vermischungen von Dialekten und einer gesunden Maulfaulheit, sie spricht, „wie ihr der Schnabel gewachsen ist“). Wer sich nun auch noch wundert, dass ich hier dem Manierismus fröhne, dem sei versichert, dass auch dieses – zumindest in den nächsten Beiträgen – verschwinden wird, wie eine lästige Erkältung. Um anschließend zurückzukehren, mit der nächsten „Wilmenrodiade©“.

Sollte noch immer jemand auf der Kruste dieses Planeten weilen, der nicht weiß, wer Clemens Wilmenrod war, dem empfehle ich den Artikel auf Wikipedia, den kurzen Film über die gefüllte Erdbeere auf Youtube (siehe unten) und den Originalbeitrag aus dem Jahr 1961, in dem Wilmenrod einen „Heringssalat nach Art der bretonischen Fischer“ zubereitet, mit einem „Fond“ aus Ketchup und saurer Sahne (http://www.ndr.de/media/wilmenrodoriginal100.html). Nicht zu vergessen natürlich den Film „Es liegt mir auf der Zunge“ aus dem Jahr 2008 mit Jan Josef Liefers und Anna Loos.

Clemens Wilmenrod und die gefüllte Erdbeere