Lebte man beispielsweise in der Region um das Elsass, dann könnte man auf einen reichen Schatz kulinarischer Traditionen zurückgreifen. Vom Baeckeoffe, einem deftigen Fleischeintopf, über das Sauerkraut, dem Coq au vin oder dem Quiche Lorrain, sowie dem Zwiebelkuchen gibt es zahlreiche traditionelle Gerichte, mit Hilfe derer sich die Region genussbetont darstellen ließe. Dieses Glück ist dem – seit grauer Vorzeit eher genussasketischen, weil armen – Uslarer Land leider nicht beschieden. Trotzdem hat man sich kulinarisch auf eine Spezialität geeinigt: die Kartoffel. Als „Onkel Pelle“ ist sie gar das „Wappentier“ der Stadt Uslar, und nervt in allerlei lustigen Erscheinungsformen das Auge des Betrachters. Von der Optiker-Kartoffel, über die Heizungsmonteur-Kartoffel und der Zeitungsausträger-Kartoffel, bis zur Tischler- und Wirt-Kartoffel ist fast jeder Berufszweig vertreten. Nicht, dass ich etwas gegen die Kartoffel hätte, im Gegenteil. Nur lässt die Kartoffel allein noch keine Begeisterungsstürme auf dem Olymp der Kulinaristik zu.
Deswegen gibt es ja auch das Pekeressen. Wobei Peker nichts mit der Kartoffel zu tun hat, sondern sich von dem umgangssprachlichen „peken“ als Synomym für „kleben“ ableitet. Als im Elsass schon reichlich Baeckeoffe verzehrt wurde, da hatte man im Uslarer Land oft Mühe, satt zu werden. Nach der Kartoffelernte freute man sich darum, wenigstens ein paar Kartoffeln essen zu können. Diese wurden gewaschen, halbiert und an den heißen Ofen „gepekt“. Dort klebte sie so lange, bis sie gar war und dann in darunter stehende Körbe fiel. Gegessen wurde sie mit etwas Salz und – wer hatte – Butter. Später, als man sich auch Hausschlachtungen leisten konnte, wurde ein frisches, gewürztes Mett dazu gereicht – Luxus pur.
Heutzutage besteht dieses Pekeressen aus dem Pekermett – einem sehr würzigen Schweinemett – in der Pelle gegarten Kartoffeln, Zwiebelscheiben, Butter und eingelegtem Essiggemüse, meist Essiggurken. Damit nun diese kulinarische Glanzleistung gebührend gefeiert werden kann, gibt es in Uslar, jedes Jahr im September, den Pekermarkt. Die Innenstadt ist mit Verkaufs-, Bier- und Essständen zugestellt, auf drei Musikbühnen erschallen Musikstücke von Jazz, Volksmusik bis Rock und Pop, wobei wir auch den Fanfarenzug nicht vergessen wollen. Und vor den Fleischereien und Gaststätten wird im Akkord Peker gegessen. Das sieht dann so aus:
Und auf dem Pappteller so:
Da ich diese luxuriöse Variante des Pekeressens immer noch nicht so ganz gaumenkitzelnd finde, habe ich mich mal an eine Variation gewagt. Geboren aus zehn Minuten Nachdenkens und dem Wunsch, in dieser Region zumindest einen Hauch von Geschmack zu etablieren. Gut, wir werden hier wohl nie in einem Satz mit dem Elsass genannt werden, aber ein „Dazulernen wollen“ sollte man uns doch bitte bescheinigen.
Die Kartoffeln habe ich gewaschen, der Länge nach halbiert und mit einer Mischung aus Olivenöl, Meersalz, gemahlenem Kümmel und einer Messerspitze gemahlenen Bockshornkleesamens bepinselt. Mit der Schnittfläche nach oben auf einem Blech in den 180°C heißen Backofen geschoben, benötigen sie ca. 40 Minuten bis sie gar sind, und die Oberfläche knusprig gebräunt ist (früher, am Ofen pekend, muss die Schnittfläche eher schwarz gewesen sein, aber schwarz ist ja noch lange nicht verbrannt, wie jeder Koch weiß).
Dazu habe ich ein Zwiebel-Tomaten-Chutney gemacht: Eine Gemüsezwiebel in grobe Würfel geschnitten und in Olivenöl glasig gedünstet. Vollreife Tomaten entstielt und ebenfalls in Würfel geschnitten dazu gegeben. Mit etwas weißem Balsamico abgelöscht, mit Meersalz und Pfeffer aus der Mühle gewürzt und kalt werden lassen.
Aus Sahnequark, Meersalz und scharfem Ajvar eine Quarkpaste gerührt, separat eine Essiggurke (ja gut, die passt wirklich dazu) dekorativ geschnitten und ein paar Zwiebelringe sowie kleine Kapern dazu gegeben.
Das Mett war leider nicht meine erste Wahl, ich schaffte es nicht zu meinem „Pekermettschlachter“ in Uslar und musste improvisieren. Wie man auf dem Foto sehen kann, war der Fettanteil etwas zu hoch, das Mett zu grob (die Kartoffeln sehen hier eher aus wie Kartoffeltaler, was aber an der Perspektive liegt, das Fotografieren muss ich noch ein wenig üben).
Nun kann jeder selbst entscheiden, welche Variante er bevorzugt. Von mir gibt es dann in den nächsten Jahren jedes Jahr eine neue Variante. Falls ich das Versprechen vergessen sollte, darf man mich gern daran erinnern.
Update 2012: Das taugt doch glatt zu diesem Event.