Rinderbrühe Teil 2 – Fleisch

Knochenbrühe

Die Markbrühe ist fertig, insgesamt hat sie acht Stunden vor sich hin gesimmert und duftet jetzt schon betörend. Die Brühe passiere ich nun durch ein Baumwolltuch (dies sollte möglichst der Kochwäsche ohne Waschmittelzugabe entstammen, wer will schon eine Brühe, die nach Ariel schmeckt, oder gar nach dem weißen Riesen?), damit sämtliche Trübteilchen und auch der Rest des Fettes gefiltert werden. Insgesamt ergibt das wieder 10 – 12 Liter Brühe, die ich auf 15 Liter aufgieße. Die Brühe ist hell und klar. Salz hat sie noch keines gesehen, ist auch noch nicht gewollt. Jetzt kommt das Fleisch!

Die Rinderunterschale

Für den ultimativen Fleischgeschmack soll jetzt eine Rinderunterschale sorgen. Diese kommt aus Deutschland, ist hier aufgewachsen und geschlachtet, sowie zerlegt worden. Da das Fleisch hauptsächlich als Aromengeber fungiert, ist die Fleischqualität nicht obere Priorität, denn das was übrig bleibt, ist einfaches Siedefleisch, dem fast das ganze Aroma entzogen wurde. Egal, was ich hinterher damit anfange, ich muss wieder Aromen hinzufügen.
Natürlich hätte ich auch Rinderbrust oder Rinderwade, bzw. Beinscheiben nehmen können, damit machte ich dem Rest der Familie wenig Freude, weil nicht mager und nicht haut-, knorpel- und sehnenlos genug (das Fleisch, nicht die Familie). Also: magere Unterschale. Gehofft hatte ich, dass die „Punta di Falda“ es bis zu mir schaffen würde, leider war das nicht der Fall. Mit sauberem Schnitt entfernt und anderweitig verkauft. Im Nachhinein bin ich nicht böse. Warum nicht? Später!

Die Rinderunterschale in drei Teilen

Die Unterschale habe ich in drei Stücke geschnitten. Sie wog 5,5 kg, weshalb es in einem Stück nicht sinnvoll erschien. Zudem braucht die etwas flachere Seite weniger lang, um zart zu werden.
Die Brühe (und meine Frau, ob des Riesenabwasches) zum Kochen gebracht, die drei Stücke hineingelegt, gewartet, bis die Brühe wieder vor sich hin simmert, dann den Herd heruntergeschaltet, damit das Fleisch nur ganz zaghaft kurz unter dem Siedepunkt gart. Das hat es dann getan. Sechzehn Stunden lang. Ungelogen. Erst nach dreizehn Stunden war das kleinste Stück Fleisch so zart, dass man es auch genießen konnte (siehe unten). Weitere drei Stunden mussten die beiden dickeren Stücke in der Brühe aushalten. Deshalb glaube ich, dass ich mit der „Punta di Falda“ schlecht bedient gewesen wäre, denn erstens scheint das Fleisch kaum abgehangen gewesen zu sein, und zweitens war das mitnichten ein wirkliches Qualitätsrind. Ich tippe eher auf ein älteres Semester, so lange wie das Fleisch köcheln musste.

gekochtes Rindfleisch

Was passiert nun während dieser langen Zeit in dem Topf? Zuerst gerinnt das Eiweiß. Dann, nach und nach, bei Temperaturen kurz unter dem Siedepunkt wird das Kollagen, welches die Muskelfasern umgibt zersetzt und geht in die Brühe über, dies wiederum löst die Gelatine aus Fleisch, Haut, Sehnen und Knochen oder Knorpeln (falls vorhanden). Zudem werden im Fleisch enthaltene Mineralsalze gelöst und in die Brühe abgegeben. Nicht zu vergessen sind die Fette, die die besten Aromaträger sind. Auch wenn das meiste Fett hinterher abgeschöpft wird, so bleibt doch genug Aroma in der Brühe zurück, denn auch, wenn unlösliche Verbindungen unlöslich scheinen, sind sie es nicht ganz. Um die Aromastoffe aus dem Fett zu lösen, reicht die lange Kochzeit aus, diese in die Brühe abzugeben. In der Parfümherstellung nutzt man eine ähnliche Methode um aus Rosen- oder anderen Blättern und Ingredienzien, das reine Parfum zu extrahieren. Was passiert noch? Flüchtige Fleischmoleküle verlassen während der langen Kochzeit schnöde und zutiefst gelangweilt unsere Brühe. Das ist schlecht. Sie feiern dann aber, endlich aus ihrem Gefängnis/Topf befreit, richtig Party und reagieren außerhalb des Topfes mit einer Maillard- und anderen Bräunungsreaktionen, finden wieder in die Brühe zurück, und reichern diese mit einer Vielzahl von Geschmacksmolekülen an. Das ist gut, sehr gut! (Wer mehr über die chemischen Prozesse beim Kochen wissen möchte, dem empfehle ich das Buch von Hervé This-Benckhard, Rätsel und Geheimnisse der Kochkunst, ISBN 978-3-492-23458-0)
Das Ergebnis ist eine goldfarbene Brühe, die ohne weitere Zutaten als Wasser, Markknochen und Rindfleisch auskommen musste, und den konzentrierten Rindgeschmack bietet. Einfach eine Tasse Brühe mit etwas Meersalz würzen, und schwelgen. So muss eine Fleischbrühe schmecken. Keine Geschmacksvertärker, keine Hefen, keine Gemüse, nichts weiter. Jeder sollte so eine Brühe einmal gekocht haben, damit er weiß, wie Brühe schmecken muss. Nämlich nicht nach Maggi, Knorr und Co.

fertige Brühe

Erst jetzt, nachdem die Brühe nochmals passiert ist, und gülden in meinen Plastikeimern (lebensmittelecht, versteht sich) schimmert, kümmere ich mich um komplette Mahlzeiten, die man mit der Brühe bereiten kann. Nicht, dass es nicht auch noch besser, mit noch mehr Geschmack ginge. Das geht durchaus. Aus diesem neutralen Rinderfond ließe sich jetzt auch noch eine viel gehaltvollere Fleischbrühe zaubern, indem man beispielsweise in der kalten Brühe Rinderbrust, Kalbshaxe, Lammnacken und ein angebratenes Suppenhuhn aufsetzt, möglichst langsam zum Kochen bringt, und weitere vier Stunden unter Abschäumen und Beigabe von Karotten und Sellerie, sowie einer halbierten, ungeschälten und an den Schnittflächen gut angebratenen Zwiebel der Vollendung entgegen simmern lässt. Paul Bocuse macht das zum Beispiel so.
Wer es anfangs nicht gemerkt hat: Will man eine gute Brühe, muss man das Fleisch kalt ansetzen und langsam erhitzen, damit die guten Aromen an die Brühe abgegeben werden können, bevor das Eiweiß gerinnt. Das Fleisch ist dann allerdings kaum noch für irgend eine Art von Zubereitung zu gebrauchen, es schmeckt nach nichts, und braucht reichlich zusätzliche Aromen, um genießbar zu sein. Ich machte also einen Zwitter. So blieb ein Hauch von Saftigkeit erhalten, welches ich mit einem einfachen Rindfleischsalat testete:
Von dem erkalteten, aber nicht kalten Fleisch schnitt ich ein paar dünne Scheiben ab, und drappierte sie auf einen Teller. Dazu rührte ich mir ein Dressing aus zwei Esslöffeln der Rinderbrühe, einem Esslöffel altem Balsamico, einem Esslöffel fruchtigem Olivenöl und etwas Meersalz zusammen, welches ich auf dem Fleisch verteilte, nebst ein paar halbierten gelben Cocktailtomaten. Mehr nicht. Kein weiteres Gewürz, vor allem kein Pfeffer. Wunderbarer Geschmack, ohne Schnörkel.

einfacher Rindfleischsalat

Die Brühe, oder der Rinderfond ist nun rein und klar, goldgelb, wohlriechend und -schmeckend. Eine ideale Basis zur Weiterverarbeitung. Was immer den Rindfleischgeschmack benötigt, kann mit dem Fond veredelt werden. Auch wenn es nur eine einfache Suppe werden soll: Wurzelgemüse, Lorbeerblatt, angeröstete Zwiebel (wie oben) dazu, eventuell Eierstich, Markklößchen, whatever, eine tolle Suppe ist das Ergebnis. Meerrettichsoße zum Rindfleisch (steht heute auf dem Speiseplan), Geschmacksbringer für fade Soßen und Suppen, Terrinen, Sülzen und Gemüse. Diese 15 Liter sollten bis zum Jahresende als portionierter, eingefrorener Vorrat reichen.
Das, was nun nicht mehr in die Truhe passt, werde ich morgen verarbeiten. Vielleicht zu einem Bollito Misto? Mal schauen …

Anonyme Köche – das Buch

Cover Anonyme Köche

Dass es ein Buch vom Kochsüchtigen für Kochsüchtige ist, merkt der aufmerksame Leser schon beim ersten Rezept. Die Selbstverständlichkeit, das angebratene Fleisch für das Ragú wieder in die reduzierte Flüssigkeit zu geben, um es anschließend stundenlang zu schmoren, wird gar nicht erwähnt – ist doch klar, oder? Davon abgesehen, der einzige kleine Fauxpas, der die nachkochende Hausfrau, den Hausmann oder gar Hobbykoch/köchin irritieren könnte.

Ragú

Alle Rezepte sind leicht nachzuvollziehen und ebenso leicht nachzukochen. Doch handelt es sich bei dem Buch nicht wirklich um ein Kochbuch. Es ist eher eine Lebenphilosophie, in kleine Kochgeschichten amüsant verpackt. Zudem eine Philosophie, der ich unbedingt zustimmen möchte: weg vom Komplizierten, hin zur Einfachheit. Zum natürlichen Geschmack der Grundzutaten. Liest man sich beispielsweise durch die teilweise recht umfangreichen Arbeitsschritte in den Rezepten von „Witzigmanns junges Gemüse“, so ist es einfach erfrischend, wie Claudio del Principe den Stängelkohl (eine Art Broccoli, nur kleiner) mit Pasta verarbeitet. Das kann jeder, das will jeder, das schmeckt jedem.

Pasta mit Staengelkohl

Blog wie Buch, Buch wie Blog

Erwartungshaltung kann manchmal eine rechte Qual sein. Hält man dann endlich in Händen, worauf man sich so sehr gefreut, und fällt es dann nicht so aus, wie erwartet, ist die Enttäuschung groß. Die Gefahr besteht bei den Anonymen Köchen durchaus, denn das Buch ist wie der Blog. Es gibt wenig Neues und keine Boni in Form von unveröffentlichten Geschichten oder Rezepten. Ich finde das gut, habe eigentlich auch nichts anderes erwartet. Nun aber kann ich ein Buch in die Hand nehmen, wenn ich eine Geschichte nachlesen möchte, ein Rezept oder eine Geschichte meiner Frau oder Freunden vorlesen, oder mir die Zeit auch ohne Computer mit einem Buch auf der Couch vertreiben will. Denn ein Buch ist ein Buch, ein durchaus auch sinnliches Erlebnis.

Es ist ein Buch, in dem ich auch zukünftig öfter lesen werde. Einfach, weil es gut geschrieben ist, weil es meine Art von Humor ist, und weil es viele Kochwahrheiten enthält die Profis bekannt sein sollten, aber nicht immer sind. Wer weiß schon, dass es Stunden braucht, um eine wirklich gute Tomatensoße herzustellen? Alle Leser der Anonymen Köche wissen das jetzt. Eine 15-Minuten-Tomatensoße, die auch noch schmeckt, gibt es nicht. Auch, wenn immer noch viele Profiköche uns das glauben machen möchten. Erst das stundenlange Köcheln der Tomaten fördert den Prozess der Aromenbildung aus Aminosäuren, Zuckern und so genannten Neurotransmitter-Analoga. Sogar psychoaktive Substanzen entstehen dabei, und die machen süchtig. Nach mehr – und nach mehr Lektüre der Anonymen Köche.

Illustrationen von Patrick Widmer

Nicht unerwähnt lassen möchte ich die gelungenen Illustrationen von Patrick Widmer. Mit wenigen Strichen und Formen Stimmungen erzeugen, möchte jeder können, kann aber nicht jeder. In jedem Fall sind sie eine Bereicherung für das Buch, das einzige und gelungene Extra.
Mein Fazit: Kaufempfehlung an alle, die sich zwar ernsthaft mit Kochen beschäftigen, die aber alles andere als verbissene Rezeptfanatiker sind. Kochen ist vor allem Freude. Freude, die man teilen sollte. Claudio del Principe hat sie mit seinen Lesern geteilt. Danke, Claudio!

Ochsenkotelett

Trotz viel Fisch, Pasta und Gemüsen, bleibt das eine meiner Lieblingsgeschichten. Ein gutes Stück Rindfleisch zu essen, ist einfach nur himmlisch. Konzentration auf das Wesentliche, das Urwüchsige: Feuer & Fleisch!

Andreas März über Olivenöl

Tradition kann Reichtum sein. Auf schlechten Traditionen zu bestehen, heißt jedoch, den Fortschritt zu verpassen. Schlechte Traditionen bei der Ernte und der Verarbeitung stellen vor allem in alten Produktionsgebieten ein hartnäckiges Problem dar. Während die neuen Olivenölproduzenten in Übersee stets die frischesten Erkenntnisse und die modernste Technologie für Anbau und Extraktion anwenden, entschuldigt man in den klassischen Anbaugebieten schlimme Rückständigkeit mit Tradition.

Andreas März, Merum, Dossier Olivenöl

Ein lesenswerter Text über mein Lieblingslebensmittel steht in dem Dossier Olivenöl aus dem Verlag Merum. Verfasser ist Andreas März, selbst Olivenölhersteller und Verfechter absoluter Olivenölqualität. Wer sich wirklich ernsthaft mit Olivenöl beschäftigt – ob als Konsument oder als Verkäufer – sollte sich diesen Text mehrmals durchlesen, anschließend seine „Olivenölpräferenzen“ kritisch hinterfragen, und sich von der Olivenölromantik alter Ölmühlen und von buttrigen Olivenölen verabschieden.

Sauer, mal gar nicht lustig

Wer sich mit Küche, Kochen und den diversen Zutaten beschäftigt, der sollte doch ein wenig recherchieren, bevor er sich dermaßen blamiert. Da bin ich doch via Genussblogs über einen Beitrag gestoßen, der mich das Gruseln lehrte. Noch dazu scheint der Beitrag völlig ernst gemeint zu sein. Worum geht’s? Um Kräuteressig. Hergestellt aus – nun ja, in meinen Augen Putzmittel. Essigessenz, man stelle sich das vor, als Basis für einen Kräuteressig. Dem Autor schmeckt es, weil er annimmt, es handele sich um ein ehrliches, wenn auch industrielles Produkt (Weinessig werde ja auch im industriellen Maßstab hergestellt). Essigessenz ist aber reine Chemie. Hergestellt durch Oxidation von Acetaldehyd im Beisein von Mangan, oder der Synthetisierung von Methanol mit Kohlendioxid. Gärung oder sonstige biologische Prozesse finden nicht statt. Die Essenz hat auch keinen Geschmack, sie ist nur sauer. Das war’s. Mit Wasser verdünnt, Kräuter nach Wahl hinein, und schon ist der Billigkräuteressig fertig. Mich graust immer noch. Auf diese Art Feinschmeckerei möchte ich dann doch gerne verzichten; nur so viel noch: In einigen Ländern ist Essigessenz nicht zum Verzehr zugelassen, ich nehme es als Unkrautvernichtungsmittel auf dem Hofpflaster – ohne Kräuterzusatz.

Rinderbrühe Teil 1 – mit ohne Fleisch

Wer gerne gut kocht, benötigt ein paar unverzichtbare Dinge als Grundzutaten. Eine davon ist eine vernünftige Brühe. Selbst gemacht, versteht sich, denn kein Brühwürfel kann eine selbst bereitete Rinderbrühe ersetzen. Bei Brühe bin ich dann auch eigen. Ich will Fleischgeschmack, kein Gemüse. Nichts soll den Geschmack des Fleisches verdrängen, kein Gewürz, kein Wurzelgemüse, wirklich nichts! Wie an der Überschrift ersichtlich, koche ich in mehreren Durchgängen, nehme mir also auch ein paar Tage Zeit. Angesetzt habe ich ca. 15 Liter. Der erste Durchgang beginnt mit Markknochen.

Markknochen

In der Gastronomie wird gelehrt, dass Knochen für die Knochenbrühe blanchiert werden. Das macht man deshalb, um das Eiweiß gerinnen zu lassen und anschließend mit kaltem Wasser gut abzuspülen. Das mache ich nicht! Denn ich habe Angst. Angst, dass wertvolle Aromen im Ausguss herunter gespült werden. Also setze ich die Brühe folgendermaßen an: die Markknochen (ca. 6 – 8 kg) in einen großen Topf geben, mit kaltem Wasser bis gut zwei Handbreit über den Knochen aufgießen. Dann auf mittlerer Flamme langsam zum Sieden bringen. Während dieses Prozesses gerinnen die ersten Eiweiße und setzen sich als gräulicher Schaum an der Oberfläche ab. Dieser Schaum wird nun immer wieder abgeschöpft.

geronnenes Eiweiß

Sobald die Brühe zu sieden beginnt, auf kleinste Flamme zurück schalten und nur noch leicht simmern lassen. Dabei immer wieder abschäumen (den Topf ab und an etwas rütteln, damit die Eiweiße nach oben kommen können, aber niemals umrühren; sonst wird die Brühe trüb). Jetzt kann die Brühe einige Stunden simmern.

Brühe mit Fettauge

Da ich Markknochen genommen habe (es geht auch mit Sandknochen, ich würde dann aber ein paar Markknochen dazu tun, wegen des besseren Aromas), und Mark zum Großteil aus Fett (Aromaträger!) besteht, muss dieses auch abgeschöpft werden. Allerdings sollte man es nicht wegwerfen, es lassen sich noch einige schöne Dinge damit anstellen. Zum Beispiel ist es, wenn es wieder erkaltet ist, ein rustikaler Brotaufstrich. Einfach ein gutes Roggenbrot, Rindermark und darauf ein gutes Meersalz. Wundervoll! Es lässt sich aber auch mit Olivenöl und einigen anderen Zutaten, wie Stücke von eingelegten, getrockneten Tomaten oder gehackten Oliven aufschlagen. Aber zurück zur Brühe.

gekochte Markknochen

Die Brühe wird nach dem Kochen durch ein Baumwolltuch passiert, so sind auch die letzten Trübteile aus der Brühe verschwunden. Der Topf wird nun gut gereinigt (es befinden sich sicherlich noch Eiweißreste am Topfboden) und die Brühe wieder hinein gegeben. Sie riecht jetzt schon verführerisch und unverfälscht nach Fleisch. Das kommt aber erst im zweiten Durchgang hinein. Auch Salz hat in dieser Brühe noch nichts verloren. Sollte es jemand wagen, mit der Maggiflasche auch nur in der Nähe der Brühe zu hantieren, der ist sich meiner lebenslangen Feindschaft sicher.
Und nun besorge ich mir eine schöne Rinderunterschale. Vielleicht lokalisiere ich dann auch die „Punta di Falda“. Dann fällt auch noch etwas zum Grillen ab.

Der Patriarch – 1

GeckoUnter der Arkade am Tisch mit der Granitplatte saß der Alte und schnitt eine Fleischtomate in zwei Hälften. Auf den drei Scheiben des drei Tage alten Ciabatta zerrieb und zerquetschte er ein Tomatenhälfte, bis fast nichts von der Tomate übrig war. Ein Gecko, circa einen halben Meter über ihm an der Wand hockend, sah ihm scheinbar fasziniert zu. Der Alte griff nach dem Meersalz, das ein Freund ihm aus Sizilien geschickt hatte, edles Fiore di Sale aus Trapani, und würzte die bestrichenen Brotscheiben. Dann goss er etwas Olivenöl darüber. Das Öl stammte von seinem Nachbarn Guido. Geschmacklich etwas besser gelungen, als sein eigenes. Was er natürlich niemals zugeben würde. Er hatte sich auf ein Experiment eingelassen, und in diesem Jahr die Leccino-Oliven weggelassen, und nur Frantoio, Moraiolo und Pendolino extrahiert. Nun war ihm das sortenreine Leccino zu mild, und seine neue Mischung zu kräftig. Beide zwar von ausgezeichneter Qualität, aber nicht sein Geschmack. Er hatte trotzdem fast alles verkauft. Herzhaft biss er in die erste Brotscheibe und kaute mit halb geschlossenen Augen. Herrlich, dachte er, was braucht man mehr?
Motorengeräusch näherte sich, ein Auto kam den Feldweg zu seinem Häuschen herauf und hielt unter einer der zwei Pinien an, die vor seiner Terrasse standen. Ein Mann entstieg dem 3er BMW und ging auf ihn zu. „Papa! Wann lässt Du endlich den Feldweg machen? Man muss höllisch aufpassen, dass man sein Auto nicht beschädigt.“ Der Alte schaute ihn an. „Wer mich besuchen möchte, wird diese kleine Unannehmlichkeit gerne in Kauf nehmen, sogar der greise Beau von Präsident kommt ohne Murren zu Besuch. Du kommst mich nicht gern besuchen?“ „Natürlich komme ich gern. Vergiss, was ich gesagt habe, ich hatte nur Angst um mein Auto. Ich hätte ja auch den Geländewagen nehmen können, ich hab nicht nachgedacht.“ Wäre er noch jünger gewesen, hätte er „Deine Spezialität“ oder ähnliches gesagt, so schwieg er nur und wartete, was sein Sohn zu berichten hatte. Dieser schaute auf die Olivenölflasche des Nachbarn, sagte aber nichts dazu. Die Zikade, die bis eben geschwiegen hatte, nahm ihr Lied wieder auf. Sie musste in einer der Pinien sitzen, war aber nicht zu sehen. Dafür um so lauter zu hören.
„Papa, es waren zwei Vertreter einer Handelskette aus Deutschland da, die 300.000 Halbliterflaschen mit eigenen Etiketten kaufen wollen, wir stünden nur als Hersteller und Abfüller auf den Etiketten. Pro Flasche wollen sie 2,32 € zahlen.“ „Und was sollen wir deiner Meinung nach da reinfüllen für den Preis? Schweinepisse?“ „Ich dachte eher an das Leccino-Öl, das ist sowieso nicht so geworden, wie wir uns das vorgestellt hatten.“ Er sagte „wir“ obwohl es die alleinige Idee und Entscheidung seines Vaters war. „Nur, weil es unseren geschmacklichen Ansprüchen nicht genügt, werden wir unser Öl nicht verramschen. Zudem habe ich es schon den Japanern versprochen, für acht Euro pro Liter. Jage also diese Tedesci vom Hof und sage ihnen, sie sollen sich ihr Angebot dahin schieben, wo die Sonne nicht hin scheint.“ Es lagern zwei Tonnen des Leccino-Öls in den Stahltanks neben der hauseigenen Ölmühle, luftdicht und mit Stickstoff aufgefüllt, damit der Sauerstoff nicht an das Öl kommt, bereit zum Abfüllen, für wen auch immer.
„Papa! du hättest mir das sagen müssen, schließlich leite ich die Firma!“ „Mein Sohn,“ sagte er „du kannst alles essen,“ und bot ihm von seinem Ciabatta an, „aber nicht alles wissen. Der Anruf kam erst vor ein paar Minuten, ich hätte es dir schon noch mitgeteilt.“ Er hatte seinem Sohn Carlo zum 30sten Geburtstag 49% der Firmenanteile überschrieben, und ihn zum Direktor gemacht, das war vor eineinhalb Jahren. Die großen Geschäfte machte aber immer noch er, auch die Preisverhandlungen. Aus gutem Grund: Er hatte nicht nur acht Euro für das Öl verlangt, sondern acht Euro plus 50 Cent. Die 50 Cent landeten, ohne in irgendwelchen Büchern aufzutauchen auf seinem Konto in Liechtenstein, von dem nur er selbst und sein bester Freund Claudio wussten, Familienanwalt seit über 40 Jahren. Fast jedes Geschäft wickelte er so oder ähnlich ab, zumindest die mit Italienern, Japanern, Schweizern und Amerikanern. Bei den Deutschen war nichts zu machen. Die hatten zu viel Angst vor dem Finanzamt. Mit einem Teil des Geldes kaufte er über eine Briefkastenfirma namens „Genco Pura Olive Oil Ltd“ in England (Er liebte die Filme von Coppola, die `Paten-Trilogie´) auf Sizilien Olivenhaine und Weinberge. Auch ein kleines Landgut hatte er – ganz offiziell – gekauft, im Südwesten Siziliens, bei Campobello di Mazara (möglichst weit vom Ätna weg, man kann ja nie wissen), wo er die Wintermonate verbrachte, nachdem die Oliven- und Weinernte abgeschlossen waren. So entkam er dem toskanischen Winter, der schon unangenehm werden konnte.
„Papa, wann lässt du mich endlich die Firma so leiten, wie ich es für richtig halte?“ „Wenn ich glaube, dass du dazu fähig bist, mein Junge. Wir haben Kontakte in die ganze Welt, und du kommst mit so einer stupidaggine daher, als wenn unser Öl der letzte Mist wäre. Manchmal glaube ich, du hast die letzten Jahre nichts dazu gelernt!“ Carlo fing an zu grinsen. „Papa, ich wollte doch nur dein Gesicht sehen, wenn ich dir von den beiden Tedesci erzähle. Natürlich hab ich das Angebot dankend abgelehnt. Die waren kaum drin, im Büro, schon waren sie wieder draußen. Noch nicht mal einen Espresso haben sie bekommen. Allerdings glaube ich, ich hätte bei den Japanern mehr rausschlagen können, Fujino ist ein guter Freund.“ „Eben, gerade weil er ein guter Freund ist, würde ich ihn nicht übervorteilen. Er nimmt die zwei Tonnen komplett, und zahlt die Fracht und die Versicherung. Das ist ein gutes Angebot für meinen kläglichen Versuch, das beste toskanische Olivenöl herstellen zu wollen.“ Allein der Respekt vor seinem Vater ließ ihn sich das Grinsen verkneifen. Er wusste, dass sein Vater immer wieder versuchen würde, das beste Olivenöl der Toskana, ach was, der Welt herzustellen. Nur wunderte ihn seit ein paar Jahren schon, dass, egal wie Ernte von Oliven und Wein ausfielen, der Alte es immer wieder schaffte, seine Erzeugnisse äußerst gewinnbringend zu veräußern. Er durfte zwar die Geschäftsabschlüsse tätigen, ausgehandelt hatte sie aber der Alte. Machten die Nachbarn ringsum Minus, war die Podere Etrusca erfolgreich. Viele andere Podere waren schon in dem Besitz der Podere Etrusca aufgegangen, weil sein Vater die Betriebe gekauft hatte. Die ehemaligen Besitzer blieben sogar auf ihren Höfen, arbeiteten zukünftig aber für den Alten, nach seinen Vorgaben, was den Wein und das Öl anging. Alles wurde straff organisiert, sodass es den ehemaligen Gutsbesitzern oft finanziell besser ging als vorher, was sie wiederum zu noch besseren Leistungen anspornte. Die Produkte der Podere Etrusca waren in der ganzen Welt bekannt für ihre gute Qualität, gewannen Preise, waren bei allen Verkostungen und Paneltests immer unter den Besten und fanden sich in fast jedem Feinkostgeschäft in Europa und Amerika.
Was der Junior nicht wusste, dass viele der großen Kunden der Podere in den letzten Jahren bei dem Alten um Gefälligkeiten bitten mussten, da sie oft in finanziellen Engpässen waren, und die Banken keine Kredite mehr bewilligten. Einige der Engpässe wusste der Alte auch gut zu forcieren; ein paar Euro hier, ein paar Gefälligkeiten dort, schon hatte er seinen designierten Schützling. Die Gefälligkeiten, wie Zahlungsaufschübe oder auch private Kredite gewährte der Alte gerne, die Kunden waren aber auf ewig an die Podere Etrusca gebunden. Konkurrenzbetriebe hatten keine Chance ins Sortiment zu kommen, trotz günstigerer Konditionen. So lange die Podere ausgezeichnete Qualität produzierte, war das eine für alle Beteiligten einträgliche Lösung. Falls trotzdem ein Kunde querschoss und andere Lieferanten aufnahm die der Podere Etrusca Konkurrenz machten, musste der Alte nur einmal „vernünftig“ mit ihm reden. Der Kunde war dann sehr einsichtig, was sich herum sprach in der Branche, und alle waren mit der Podere Etrusca zufrieden. Wesentlicher Bestandteil dieser Vereinbarungen, waren dann immer die zusätzlich gezahlten Gelder für das Liechtensteiner Konto. Lediglich einen Mitbewerber ließ der Alte in Ruhe, was seinen Sohn zwar wunderte, er hatte aber noch nicht gewagt, danach zu fragen. Einen Mitbewerber, der sich alberner Weise nach einer amerikanischen Filmfirma benannt hatte und seine Produkte auf Sizilien im Val di Mazara herstellte: Genco Pura Olive Oil Ltd. Lediglich die Company war der Limited gewichen.
„Papa, irgendwann werden wir es schaffen, das Olivenöl herzustellen, von dem du schon so lange träumst. Vielleicht versuchen wir es im nächsten Jahr mal mit der Veronelli-Methode für einen kleinen Teil des Moraiolo? Ich muss jetzt leider los, einer der Laudemio-Produzenten in der Nähe von Bolgheri will mit uns sprechen, ich weiß noch nicht was er will, aber ich hörte, die Geschäfte gingen nicht so gut. Vielleicht eine Chance, dem Verbund beizutreten. Ich komme morgen vorbei zum Essen, wenn es dir recht ist, so gegen neun.“ „Lass dich nicht übers Ohr hauen, lass dir alle Zahlen geben, und frag ihn auch nach den nicht offiziellen Zahlen, falls er dir ein Angebot machen will. Ich weiß von einem alten Weinkeller, den er vor drei Jahren ausgebaut hat, von dem die Guardia di Finanza nichts weiß.“ sagte der Alte und grinste seinen Sohn an. „Benutze das Wissen aber nicht unbedarft, stell fest, wie ehrlich er wirklich ist.“ Carlo starrte ihn nur staunend an. Sein Vater schien immer alles über alle zu wissen, und hielt sich doch die meiste Zeit entweder in seinem kleinen Steinhaus hier, in der Nähe von Montescudaio oder auf Sizilien auf. „Nun guck mich nicht an wie das achte Weltwunder, tue deine Arbeit, wir reden morgen Abend. Bringst du deine Frau und meinen Enkel mit?“ „Ja gerne, Papa. Ciao, bis morgen! Soll ich noch was mitbringen?“ „Nein, Antonella und Michele genügen völlig!“ Der Alte widmete sich wieder seinen Ciabattascheiben und der zweiten Tomatenhälfte. Nachdem sein Sohn gefahren war, setzte die Zikade ihr nerviges Geschrammel fort, welches sie unterbrochen hatte, als sein Sohn ins Auto stieg und weg fuhr. Der Gecko hatte sich gleich nach Ankunft seines Sohnes davon gemacht, und blieb erst einmal verschwunden. Der Alte war gespannt, wie sich sein Sohn bei der Besprechung verhalten würde. Natürlich war das Geschäft schon unter Dach und Fach, mit Handschlag besiegelt. Einem Vitaliani reichte das, noch nie wurde ein Abkommen gebrochen. Bis sein Sohn die Geschäfte vollständig übernehmen konnte, würde er noch einige Tests bestehen müssen. So hatte es sein Großvater mit seinem Vater gemacht und sein Vater mit ihm. Genüsslich biss er in sein letztes Ciabatta. Der Gecko schaute vorsichtig um die Ecke der Hauswand. Fortsetzung folgt

Oregano

Oregano mit Schmetterling

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Oregano mit Biene

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Simplizität, oder Tomatensalat von Cuore di bue

Über Einfachheit oder Simplizität wurde schon viel geschrieben. Simplizität kann gut oder schlecht sein, in der Küche ist sie meistens gut. Aus wenigem etwas zuzubereiten das schmeckt, ist eine Kunst. Die zu erlernen ist aber nicht so schwer. Erstes Gebot: beste Qualität der Zutaten! Beherzigt man dies, ohne Kompromisse einzugehen, dann ist das schon die halbe Miete.

Ochsenherztomate oder Cuore di bue

Denken Sie bei Tomatensalat an matschige Tomatenviertel in süßsaurer Essigbrühe mit labbrigen Zwiebeln? Dann wird es Zeit, etwas für die Reputation des Tomatensalats zu unternehmen. Das fängt mit der verwendeten Tomate an. In diesem Fall konnte ich einige Cuore di bue, auch Ochsenherztomaten ergattern. Diese Tomatensorte ist eine faltige Fleischtomate mit wenig Kernen aber viel Geschmack. Sie hat eine sehr weiche Haut (ist deshalb auch sehr empfindlich) und kann bis zu 500 g schwer werden. Der Transport gestaltet sich schwierig, weswegen auch nur wenige der Tomaten nach Deutschland finden. Meist nur in den Städten zu bekommen, die in der Nähe eines Großmarktes liegen. Die Preise liegen um die 5-6 Euro pro Kilo, kein preiswertes Vergnügen, aber den Preis wert.
Für den Tomatensalat benötige ich nur Tomaten, feine Zwiebelringe, am besten von roten oder Gemüsezwiebeln aus Eigenanbau, Fleur de Sel, schwarzen Pfeffer aus der Mühle (wenig), allerbestes Olivenöl (Laudemio) und einen guten Weinessig (Chianti-Essig). Mehr nicht. Höchstens zur Garnitur etwas Basilikum, muss aber nicht sein.

Ochsenherztomate oder Cuore di bue aufgeschnitten

Für den Salat eignet sich am Besten eine große Platte. Die Tomaten, denen der Stielansatz entfernt wurde, werden in ca. 5 mm dicke Scheiben geschnitten, und zwar quer zum Stielansatz (als wollte man, stellt man sich den Siel durch die Tomate hindurch gehend vor, diesen jeweils durchschneiden), so tritt am wenigsten Flüssigkeit aus der Tomate, was bei der Cuore di bue allerdings kein Problem ist. Die Tomatenscheiben auf der Platte verteilen, mit Pfeffer und Fleur de Sel würzen, anschließend Olivenöl darüber treufeln. Jetzt noch ein paar Tropfen Essig dazu (weniger ist mehr) und die feinen Zwiebelringe darüber angerichtet. Ein paar Basilikumblätter zur Deko – fertig.

Ochsenherztomate oder Cuore di bue, fertiger Salat

Wer übrigens Zwiebeln so nicht mag, oder nicht verträgt, der kann die Zwiebelringe vorher in kaltes Wasser geben, etwas mit der Hand kneten und darin 15 Minuten liegen lassen, das Wasser abgießen und die Prozedur zweimal wiederholen. Die (mit einem Küchentuch getrockneten) Zwiebeln sind immer noch knackig, haben aber den Großteil ihrer Aggressivität und Schärfe verloren, schmecken jetzt eher süßlich-pikant. Auch ganz ohne Zwiebeln schmeckt so ein Salat, wenn man vorher die Servierplatte mit einer halben Knoblauchzehe eingerieben hat.
Wo ich mich doch so über Qualität ausgelassen habe, präsentiere ich den Tomatenkennern und Fans eine Überraschung: die Cuore di bue kamen aus Holland! (Nicht so laut aufschreien, bitte! Ich bin empfindlich.) Und haben im hiesigen EDEKA-Markt „nur“ 2,99 € pro Kilo gekostet. Der Geschmack kam an die aus Italien kommende Ware natürlich nicht heran. Trotz Computer gesteuerter Nährstoffversorgung fehlt in Holland einfach die Sonne. Aber sie schmeckten besser als erwartet. Es war ein Experiment (und ich war in Not: alle anderen Tomaten waren auch aus Holland, es war die einzig annehmbare Alternative; Provinz halt). Es hat nicht geschadet. Der Salat wurde aufgegessen, die wenige Soße dreihändig (Frau, Tochter und ich – rechts, links, rechts) mit Weißbrot von der Platte gewischt.

Ochsenherztomate oder Cuore di bue

Das war die erste Holland-Tomate, die ich seit zehn Jahren oder länger kaufte. Ich war auf Enttäuschung programmiert, hatte weniger als nichts erwartet. Davon ausgehend, war es nicht übel. Falls ein Leser mir allerdings sagen könnte, wo in Göttingen oder Kassel (oder nahe bei) ich original italienische (auch Ungarn wäre in Ordnung) Cuore di bue bekomme, idealer Weise noch nicht vollreif, wäre ich dankbar und machte den Salat noch einmal – und berichte dann von den geschmacklichen Unterschieden.

P.S. Im Jahr 2006 stand in der FAZ ein lesenswerter Artikel über Tomaten.

“Cucina omalinga” (oder so): Kartoffelplinsen mit Mettsoße

Manchmal holen sie einen ein, die Erinnerungen an die Kindheit. In diesem Fall die Erinnerung an die Samstagmittage, die mein Vater, Schwester, Onkel, Tante und meinereiner bei meiner Großmutter zum Essen eingeladen waren. Es gab eigentlich nie etwas wirklich Besonderes, doch bleibt der Geschmack der „Omakost“ doch irgendwo in den Synapsen erhalten, und kann bei Gelegenheit abgerufen werden.

Manchmal gab es einen Braten, meist Schwein oder auch mal Rind, doch oft gab es einfache und preiswerte Gerichte. Immer gegenwärtig war die Kartoffel. Kaum ein Hauptgang kam ohne aus. Weil beim Fressnet-Portal von Klaus-Peter Baumgardt die größte Kartoffelrezeptsammlung entstehen soll, werde ich mit diesem Gericht gerne meinen zweiten Beitrag dazu leisten.
Das, was da bei meiner Oma auf dem Teller landete, schmeckte zwar ganz passabel, war optisch aber im Bereich „Moppelkotze“ angesiedelt. Ich hoffe, ich habe das etwas besser gelöst, denn letztlich habe ich das Rezept auch etwas „gepimpt“. Schließlich musste ja auch das Olivenöl irgendwie „verbraten“ werden. Ist hier ja ein Olivenöl-Blog.
Für das Gericht benötigt man für vier Personen ca. 1,2 kg mehlig kochende, oder vorwiegend festkochende Kartoffeln, zwei Eier, Meersalz, Muskatnuss, frisch gerieben Muskat, etwas Mehl und glatte Petersilie gehackt, ca. drei Esslöfffel voll. Für die Soße 800 g gewürztes Schweinemett, in unserer Gegend Thüringer Mett genannt, in Berlin Hackepeter, 400 ml Rinderbrühe, -fond oder am Besten: Demi Glace, drei getrocknete Tomaten, einen Teelöffel Tomatenmark und eine mittelgroße Zwiebel, in feine Würfel geschnitten. Evtl. noch etwas Speisestärke zum Binden. Zudem noch 100 ml Olivenöl zum Ausbacken der Plinsen und zum Anbraten des Metts.

Thüringer Mett

Thüringer Mett ist rohes, gewürztes, durch den Fleischwolf gelassenes Schweinefleisch mit einem kleinen Fettanteil. Die Gewürzmischung ist das Geheimnis der jeweiligen Schlachterei, obwohl es auch Standard-Gewürzmischungen für den Fleischereinkauf gibt.

Wer des Kochens mächtig ist, benötigt kaum eine genaue Anleitung, weil es ja fast selbsterklärend ist; aber ich will mal nicht so sein: Die Kartoffeln schälen und in Salzwasser gar kochen, abgießen und etwas abdämpfen, anschließend durch die Kartoffelpresse in eine Schüssel pressen und etwas abkühlen lassen (Wie? Keine Kartoffelpresse? Dann wird’s aber Zeit! Und lassen Sie bloß die Finger von diesen Plastikdingern, die taugen nicht für fünf Pfennig (Cent) ). Ist die Masse handwarm, geben Sie die rohen Eier hinein, würzen mit Meersalz und Muskat, und geben einen Esslöffel von der gehackten Petersilie dazu. Das jetzt zu einer Masse verkneten. Sollte die Masse zu feucht sein, etwas Mehl hinzu geben. Man könnte auch noch eine Zwiebel fein reiben und unter die Masse kneten, das wäre mir allerdings zu „kartoffelpufferig“. Ich hebe mir die Zwiebel für die Soße auf: Das Mett, welches Sie beim Schlachter Ihres Vertrauens kauften (die erste Version: „welches vom Schlachter Ihres Vertrauens stammt“ hätte für Irritationen sorgen können), wird in einem breiten Topf in etwas Olivenöl angebraten. Wichtig dabei ist, dass es möglichst keine Klößchen bildet, sondern ganz fein bleibt. So erhöht sich die Oberfläche, es können sich mehr Röststoffe bilden (und somit mehr Geschmack), und die Konsistenz soll ja soßenähnlich sein, da würden Mettklumpen nur stören. Ist das Mett angemessen gebräunt (farblich so ungefähr wie der Hintern von Halle Berry*; nicht, dass ich den je „nackich“ gesehen hätte; lassen Sie die Phantasie spielen), kommt die gewürfelte Zwiebel dazu, die darf ebenfalls etwas Farbe nehmen. Danach das Tomatenmark kurz mit anrösten, das Ganze mit Brühe, Fond oder Demi Glace ablöschen, die in feine Streifen geschnittenen getrockneten Tomaten dazu geben und eine halbe Stunde abgedeckt vor sich hin köcheln lassen.
Derweil aus der Kartoffelmasse vier große Plinsen (von der Form ähnlich, wie Frikadellen) formen, in Mehl wenden, abklopfen und langsam in Olivenöl ausbacken. Die Plinsen sollen gut gebräunt sein, ähnlich wie Bratkartoffeln.
Die Soße mit Salz und Pfeffer abschmecken, gegebenenfalls (ich wollte mal gegebenenfalls schreiben) etwas mit Speisestärke binden.
Die Plinsen auf Tellern anrichten, mit der Soße übergießen und der restlichen Petersilie bestreuen. Mein Favorit dazu ist Gurkensalat.
Wie bei Oma schmeckt das zugegebenermaßen nicht. Zumindest nicht die Soße. Die war damals eher ein hellgräuliches Etwas mit Mettgeschmack. Aber wie das mit den Erinnerungen so ist: Früher war alles besser. Das Rezept ist so wandelbar wie die Meinungen unserer Politiker. Wer anderes probieren möchte, benötigt dafür kein Parteiprogramm. Wäre aber schön, wenn ich davon erführe. Guten Appetit!

Kartoffelplinsen mit Mettsoße

So sah das dann aus. Und es hat sogar geschmeckt. Für Frau und Kinder wart es das erste Mal, dass sie in den Genuss von Großmutters Plinsen kamen. Sie würden es wieder essen. Na denn …

*Für die Damen: Wäre es der Hintern von Denzel Washington gewesen, wäre es zu dunkel!

Skorthalia

Klaus-Peter Baumgardt veranstaltet in seinem Fressnet-Blog eine Kartoffel-Diät-Parade, an der ich natürlich teilnehmen muss. Und sei es nur, um das Wort Diät ad absurdum zu führen. Zumindest in meinem Rezept.
Wenn es um gesunde Ernährung geht, ist die „mediterrane Diät“ in aller Munde, obwohl sie bei Licht betrachtet gar keine ist. Denn sie ist kalorienreich, schon wegen der Unmengen an Olivenöl, die in südlichen Ländern verzehrt werden. Also jetzt weg von der Diät, hin zur Kartoffel, die durchaus auch in Griechenland eine Rolle spielt. Und wem der ewige Zaziki zum Halse heraus hängt, der bekommt jetzt eine schöne Alternative dazu.
Skorthalia, auch Skordhalia genannt, wird in Griechenland als Vorspeise oder als Beilage zu gegrilltem Fisch oder Fleisch gereicht. Es gibt unzählige Varianten des Rezepts, Hauptzutat bleibt jedoch die Kartoffel. Hier ist mein persönlicher Favorit: Als Zutaten benötige ich 4 – 5 mittelgroße, möglichst mehlig kochende Kartoffeln, vorwiegend fest kochende funktionieren aber auch gut, drei Scheiben entrindetes Weißbrot, in Würfel geschnitten, ca. 50 Gramm gemahlene Mandeln, 5 – 6 Knoblauchzehen, Rotweinessig, Meersalz und ein gutes Olivenöl aus Griechenland. Die Zubereitung ist einfach, und funktioniert sehr schnell, sieht man mal von dem lästigen Kartoffelpellen ab.
Skorthalia-MasseUnd so geht’s: Kartoffeln kochen, pellen und etwas abkühlen lassen. Das entrindete und gewürfelte Weißbrot in dem Weinessig einweichen. Nehmen Sie so viel Essig, wie Sie benötigen um das Weißbrot völlig zu durchtränken. Die Kartoffeln werden nun durch die Kartoffelpresse in eine Schüssel gedrückt. Mandeln und der gepresste Knoblauch kommen dazu. Der Knoblauch sollte möglichst frisch sein. Falls er innen schon einen grünen Keim hat, diesen entfernen. Ich hatte das Glück, frischen, ungetrockneten Knoblauch zu bekommen, der ist in jedem Fall vorzuziehen. Wenn das Weißbrot richtig durchgezogen ist, wird es gut ausgedrückt. Das, was an Essig übrig bleibt, kann anderweitig verwendet werden, da fällt Ihnen schon etwas ein (z. B. für eine Marinade). Das ausgedrückte Weißbrot ebenfalls zu der Masse geben. Mit wenig Pfeffer aus der Mühle und Meersalz würzen und mit etwa 100 ml Olivenöl glattrühren (geht auch elektrisch). Falls die Masse noch nicht sämig genug ist, einfach Olivenöl dazugeben. Noch einmal mit Salz abschmecken. Dann auf Tellern anrichten, mit Oliven und etwas glatter Petersilie garniert servieren. Als Beilage einfach die Schüssel auf den Tisch stellen, so kann sich jeder nach Herzenslust bedienen. Oliven dürfen aber nicht fehlen, vorzugsweise griechische aus der Mani.

Skorthalia

Ein sehr einfaches Rezept, für jedermann/frau leicht herzustellen, und doch kann es von „Igitt“ bis „Hochgenuss“ variieren. „Kasus knaxus“ ist die Qualität der verwendeten Zutaten. Diese entscheiden über Sieg und Niederlage. Ein gutes Olivenöl ist allererste Pflicht! Ein Weinessig ist nicht durch Branntweinessig zu ersetzen, egal, was Ihnen das Etikett darauf verspricht. Sollten Sie immer noch dieses weiße Zeugs mit Fluor und Jod und Rieselhilfen für 39 Cent aus dem Supermarkt für Salz halten, fangen Sie gar nicht erst an, Skorthalia damit zubereiten zu wollen, es schmeckt nicht. Und natürlich sollten auch die Kartoffeln von bester Qualität sein. Passt alles zusammen, dann können Sie wie in Griechenland die Skorthalia mit einem schönen Gläschen Wein genießen. Am Besten schmeckt Skorthalia bei Zimmertemperatur, also immer nur so viel zubereiten, wie Sie auch verbrauchen können. Einmal im Kühlschrank, verliert sie einen Großteil ihres Geschmacks.